Essays
Groin Gazing
A Conversation between Sarah Diehl and Didi Cheeka
I started conversations with men about what they learned from feminism and how it helped them to question assumptions about their masculinity, they feel limitted by. This conversation is with the Nigerian filmmaker and theorist Didi Cheeka about the possibility to desire as appreciation vs objectification between men and women.
You can read it here in the Online Magazine "60pages"
Pro-Ana Websites - Selbstbestimmung in der anorektischen Selbstaufgabe
“Starving is an example of excellent willpower.”
„Dabei würdest du viel besser aussehen, wenn du ein paar Kilo mehr drauf hättest“, heißt es oft, um eine magersüchtige Frau von dem Unsinn ihres Essverhaltens zu überzeugen. Aussagen wie diese bekräftigen aber zum einen nur ein Problem, das Magersucht hervorruft, nämlich den eigenen Wert nur über die eigene Schönheit wahrzunehmen, und reduzieren es gleichzeitig nur auf dieses.
52% aller Mädchen fangen Diäten an, bevor sie ihr 14. Lebensjahr erreichen und 60% aller Frauen sagen, dass sie sich deprimiert fühlen, wenn sie sich Bilder von Fashionmodels ansehen. Die National Eating Disorders Association (NETA) geht davon aus, dass etwa 10 Millionen Frauen und etwa 1 Millionen Männer unter Magersucht leiden. Magersucht ist damit eine der häufigsten psychiatrisch diagnostizierten Krankheiten. In der westlichen Welt scheint der körperliche Normierungszwang, der durch die Medien kolportiert wird, sich zur effizienten, da attraktiv verpackten, Waffe gegen den Feminismus entwickelt zu haben. Denn er manipuliert und zerstört das Selbstwertgefühl von Mädchen und Frauen von Anfang an.
Morbide Girlpower
„You will be able to see your beautiful, beautiful bones. Bones are clean and pure. Fat is dirty and hangs on your bones like a parasite.” Da Magersucht von den betroffenen Mädchen und Frauen eng mit Selbstbestimmung verknüpft wird, ist es nur konsequent, dass sich nun im Internet als geschützter Raum eine Pro-Ana Community gegründet hat, die sich gegenseitig mental unterstützen, ihre Ideologie verbreiten und sich Ratschläge erteilen, z.B. wie sie Zwangsernährung entgehen und ihre Eltern bezüglich ihres Essverhaltens hinters Licht führen. Pro-Ana (kurz für Pro-Anorexia, ebenso gibt es und Pro-Mia für Bulemie) Websites gibt seit Mitte der 1990er Jahre und haben Anfang dieses Jahrhundert vermehrtes Medieninteresse gefunden, worauf verängstigte Eltern große Server mit Anfragen überfluteten, diese Seiten abzuschalten, was auch geschah. Nichtsdestotrotz war die Webcommunity damals bereits so groß, dass einfach auf alternative Server ausgewichen wurde. In den Staaten liegt die Beteiligung an Foren und Blogs dieser Seiten unter erkannten Magersüchtigen bei etwa 40%. Mittlerweile gibt es Hunderte solcher Seiten und sogar auf Networksites wie MySpace gibt es Pro-Ana Gruppen.
Die beteiligten Frauen schreiben, dass Pro-Ana Sites ihnen mehr helfen als von Medizinern und Psychologen typisch pädagogisch aufgebaute Recovery Sites, da es auf ersteren keine Zensur gibt. Das heißt also, den Beteiligten steht es frei, sämtliche Facetten der Anorexia darzustellen, ohne das ihnen die Gesundheitspolizei reinquasselt. “It’s a support group in the best sense of the phrase: You’re not okay, and that’s okay.” Viele Sites halten nicht hinterm Berg damit, welche Krankheiten die Magersucht mit sich bringt. Gleichzeitig geben sie aber Tipps zur Selbstkontrolle, Schmerzüberwindung, zur Ablenkung wenn man Hunger hat, warnen vor falschen Tipps wie Papier oder Baumwolle essen und stellen Rechner für Kalorien bereit. Die Kombination aus realistischer Einschätzung der Krankheit und Unterstützung, um diesen Wahn richtig kontrollieren und verwalten zu können, gibt einen guten Einblick darin, was für ein Horror zwischen zwanghafter Disziplinierung und Selbsterkenntnis sich hinter Anorexia tatsächlich verbirgt. Somit orientiert sich die Herangehensweise der Pro-Ana Sites nicht an typischen Selbsthilfe-Gruppen und das Internet bietet einen Ort, wo sie die Hassliebe zu ihrer Krankheit kultivieren können. Die Seiten sind oft sehr schön gestaltet und manche weisen eine bittersüße Poesiealben-Ästhetik auf. Auf fast allen Seiten liegen Schönheit und Schrecken ebenso wie Selbstermächtigung und Selbstaufgabe oder Selbsthaß nahe beieinander. So steht ein Zitat von Sigmund Freud “Out of your vulnerabilities will come your strength" neben der Auflistung „57 Gründe magersüchtig zu sein“: “I’m tired of looking in the mirror and hating myself. I don’t want to be nervous in a bathing suit anymore. I want to fit in.”
Schönheitswahn als (Sub)Kultur
Sämtliche Subkulturen entpuppen sich nach einer Weile als Schein und Ausverkauf; egal was jungen Mädchen als Werkzeug der Revolte angeboten wird, ob Punk, New Romantik, oder Wendy, irgendwann kommen sie darauf, dass das alles stereotyp und eingrenzend ist, normiert für den kommerziellen Ausverkauf. Mit Magersucht aber scheint es, können sich diese Mädchen eine ganz eigene individuell gestaltbare Identität geben. Von brachial bis feingliedrig, gewalttätig bis schön; die mit Anmut und Ästhetik verkleideten aber tatsächlich von Grausamkeit und Zwang geprägten Widersprüche, die in den Erwartungshaltungen an junge Frauen liegen, sind darin enthalten und gespiegelt. Die betroffenen Mädchen und Frauen unterwerfen sich dem Schönheitszwang der Schlankheit, die der Weiblichkeit vorgeschrieben wird, anderseits entziehen sie sich kontrolliert ihrer Geschlechterrolle, da Unfruchtbarkeit eines der erklärten, oder aber zumindest tolerierten Resultate der Magersucht ist. Um auf ihre Selbstbestimmung zu pochen betonen viele, dass ihre Magersucht nichts damit zu tun habe, Männern gefallen zu wollen. Magersucht sei vielmehr ein Versuch, die sickness der Gesellschaft körperlich nachzuvollziehen und als Märtyrertum zu leben. Aufgeklärtere Webhosts von Pro-Ana Seiten wehren sich aber gegen eine Heroisierung der Magersucht. Mit Bildern von an Magersucht gestorbenen Frauen oder Frauen, die mit 35 Kilo kurz vor dem Kollaps stehen, wollen sie der Krankheit alles Glamouröse nehmen. Ana sei kein Lifestyle, sondern ein Style of Dying heißt es auf www.ceruleanbutterfly.com. „Pro-Ana is not a cause. We are a symptom.”
So widersprüchlich es auch klinge, schreibt eine Webmistress, Magersucht töte, aber es halte sie gleichermaßen am Leben. Es sei ein Weg mit ernsthaften emotionalen Problemen fertig zu werden. “Food seemed to be the only thing in my life I could control.“
In einem Leben, in dem man scheinbar nichts kontrollieren kann, entwickelt man eine Obsession den eigenen Körper zu kontrollieren, als das einzige Refugium, auf das man scheinbar noch Zugriff hat. Und Frauen machen das normalerweise mit sich alleine aus. Da sie in ihrer Umwelt entweder auf Unverständnis oder auf den Zwang zu essen stoßen, ziehen sich viele Betroffene in die Isolation zurück. Und um nicht allein ihren Gegnern und Bekehrern ausgesetzt zu sein, haben sie ihre eigene Webcommunity aufgebaut.
Seit magersüchtige Frauen selbst reden, weißt vieles darauf hin, dass die Gründe der Krankheit vom medizinischen und gesellschaftlichen Diskurs falsch eingeschätzt wurden und eine falsche Pathologisierung der Frauen stattgefunden hat. Viele Symptome, wie Libidoverlust, unregelmäßiger oder ausbleibender Zyklus, Nervosität, Kopfschmerzen, Herzprobleme, niedriger Blutdruck, Suizidgefährdung, Depression, Persönlichkeitsspaltung, zwanghaftes Verhalten oder Panikattacken, die als Ursache der Magersucht angesehen wurden, haben sich nicht als Auslöser, sondern als Folge der Magersucht entpuppt. Ein weiterer Hinweis darauf, dass Magersucht vielmehr ein gesellschaftlich heran gezüchtetes Problem ist und nicht auf hormonelle Schwankungen oder andere rein körperliche Prädispositionen zu schieben sei.
Selbsthilfe oder Wettbewerb
Seit die Medien auf solche Webseiten aufmerksam geworden sind, ist der übliche Vorwurf an sie, dass sie Mädchen anspornen, magersüchtig zu werden, oder dass Mädchen einen Wettbewerb starten, noch schneller noch dünner zu werden. Dies ist eine typische Abwehrreaktionen, die auf eine Zensur der Stimmen der betroffenen Mädchen und Frauen abzielt – denn wie sehr betroffene Frauen eine typische Zivilisationskrankheit als Teil ihrer Kultur angenommen haben und was das über den Zustand unserer Gesellschaft aussagt, ist für viele schwer zu ertragen. Dieser Vorwurf wird vor allem dann lachhaft, wenn man bedenkt, wie Frauen und Mädchen diesen „Ansporn“, schneller und noch mehr abzunehmen, jeden Tag in der Werbung und anderen medialen Repräsentationen vorgehalten bekommen. Man kann diesem Ansporn nicht entkommen, wenn man nicht mit geschlossenen Augen durch die Strassen gehen möchte. Aber anstatt dies konsequent zu adressieren machte im Jahr 2005 sogar eine Studie Furore, die belegen wollte, dass Frauen eher zu Magersucht als Männer neigen, da sie Begriffe bezüglich des körperlichen Aussehens im Gehirn emotional verarbeiten, statt rational wie Männer. Das Problem wird also vollkommen blind für Sozialisierungsmechansimen auf eines des weiblichen Gehirns geschoben, statt anzuerkennen, wie Frauen zu dieser Angst konditioniert werden.
Manche Pro-Ana Seiten versuchen zu betonen, dass Magersucht nicht halb so glamourös sei, wie es den Mädchen in den Medien vorgelebt wird. Aber die Pro-Ana Welt ist groß und natürlich gibt es auch hier Seiten, die in beängstigend unreflektierter Weise Frauen unter Druck setzten und dem Schönheitswahn komplett affirmativ gegenüberstehen. Dementsprechend werden diese von anderen Userinnen kritisch als “anorexic elite club“ bezeichnet. Auf Seiten mit dem Namen Thinspiration werden als Quelle der Inspiration haufenweise dünne und noch dünnere Fashionmodels gezeigt. „You are what you eat, and you are fat. Obese. Wretched. Disguisting. A blob of disease rotting your pathetic life away, taking too much space on a planet only fit for thin.” Eine Seite lehrt mit den „The Thin Commandments“ die Regeln der Anorexia. “Ich bin Perfektionistin“, heißt es an einer anderen Stelle, um sich als selbstbestimmte disziplinierte Künstlerin darzustellen.
Eine andere Webhostess geht sogar ihrer Neuerweckung als Christin in den Kontext ihrer Magersucht nach und stellt das Thema Obsession damit in einen interessanten Zusammenhang. “Fasting in the bible was done for spiritual reasons….so, it doesn’t hurt to get closer to god.”
Elementarer Service dieser Seiten sind natürlich Foren und Webblogs, wo Betroffene sich gegenseitig unterstützen und Tipps geben, wenn man mal Hunger hatte.
Man kann sich darüber streiten, welchen Effekt diese Art von Solidarisierung auf die Frauen und Mädchen hat. Man kann sich aber auch die Frage stellen, wie es den Betroffenen ohne diese Unterstützung gehen würde, in Anbetracht dessen, dass Anorexia mit sozialer Verelendung einhergeht. Hier scheint das Internet tatsächlich ein Weg aus der Isolation und Selbstobsession zu sein und eine Gruppenidentität zu ermöglichen.
Es ist aber nichtsdestotrotz beunruhigend, wie selten auf diesen Seiten eine tatsächliche Kritik an den Medien und den Vorgaben von und an Models oder Schauspielerinnen laut wird. Von einer fundierten feministischen Medienanalyse ganz zu Schweigen. Die Frauen geben ihren Körpern selbst eine Form und da sie aus dieser Handlung einen ganzen Kult machen, können sie sich einbilden, dies habe etwas mit Selbstermächtigung zu tun. Aber auch wenn Magersüchtige diesen Mechanismus durchschauen, heißt das noch lange nicht, dass sie deshalb psychisch bereit sind, ihr Verhalten zu ändern. Denn ihre Magersucht ist oft das einzige, was sie noch haben. Alle anderen Aktivitäten, Interessen und Freunde wurden vernachlässigt. „Anorexia is my best friend“.
Das Phänomen der Pro-Ana Websites ist ein Kind unserer Zeit, in der die Individualität durch eine totalitäre Typologie der Bilder ersetzt wird. Die ästhetisierte Selbstdarstellung, die zum Dreh- und Angelpunkt des eigenen Selbstwertgefühls und der Selbstwahrnehmung geworden ist, ist zum Imperativ sozialen Handelns geworden. Der Spiegel ist die Instanz, an dem wir unseren Willen zur Normierung aushandeln. Die eigene Identität verschwindet dahinter, sie wird nur noch in der visuellen Selbstdarstellung als Teil der Medienkultur gesucht. Der Medienwissenschaftler Dieter Mersch nannte diesen Willen zur Normierung „ästhetische Eugenik“. Wenn Frauen es mittlerweile geschafft haben, sich auf politischer und gesellschaftlicher Ebene reale Freiräume erkämpft zu haben, eröffnet dieser Fascho-Schönheitswahn eine subtile Möglichkeit ihrer psychologischen Zurichtung, um sie wieder auf ihre Plätze zu verweisen: denn er bedeutet ihnen, dass sie, wenn sie das Ideal nicht erreichen, das nach seiner inhärenten Logik unerreichbar bleiben muss, sie als Menschen nicht existieren können. Die neoliberalen Konzepte des Alles ist möglich; und wenn du es nicht schaffst, bist du selbst dran schuld greifen auch hier: Unsere Gesellschaft züchtet Frauen heran, die ihre kontrollierte Selbstaufgabe als Empowerment darstellen
aus:
Hot Topic – Popfeminismus heute, Sonja Eismann (hg.) Ventil Verlag, 2007
Vom Minstrel zur Maschine: Josephine Bakers Bananen und Grace Jones Ketten
Als Josephine Baker 1936 nach 10-jähriger Abwesenheit in Europa als erster schwarzer Superstar für eine Tour in die USA zurückkam, wurde sie von dem Manager des Hotels, in dem sie wohnte, gebeten den Liefereingang zu benutzen: in der USA herrschte noch Rassensegregation. 1906 in großer Armut in St. Louis, Missouri aufgewachsen, hatte Baker die extremen Auswüchse der Segregation in den USA am eigenen Leib erfahren. Mit 19 Jahren, entschlossen dem Elend schwarzer Ghettos zu entkommen, ging sie mit einer Theatertruppe nach Paris, wo sie schnell zur größten Attraktion wurde. Josephine Baker wurde als die Verkörperung des edlen Wilden, einer mit Afrikanität gleichgesetzten instinktiven Primitivität gefeiert, die gerade seinerzeit von europäischen Künstlern als Inspirationsquelle entdeckt wurde, um ihrer Arbeit frischen Wind zu verleihen. Diese Projektion zeigte sich auch bei Bakers Kritikern: Die vielen Journalisten, die sie liebten beschrieben sie als lustvolle Afrikanerin, die wenigen, die sie verachteten, beschrieben sie als amerikanisches vulgäres Gossenkind. In Afrika war die Baker tatsächlich einmal, aber so gar nicht wie man sich dies angelehnt an ihre mediale Repräsentation bis heute vorstellten will: Sie lebte im Zweiten Weltkrieg auf der Flucht vor den Nazis in Marokko und Algerien, wo sie für die Truppen der französischen Widerstandsbewegung sang, als Spionin für ebendiese arbeitete und als Pilotin Medizin und Geheimdokumente zwischen Frankreich und Belgien schmuggelte. In Erinnerung geblieben ist sie uns aber nur für das Bananenröckchen, das sie in ihrer Show 1926 in den Follies Bergers trug. Von dem weißen Publikum als klarer Verweis auf Bakers primitive Wurzeln in ihrer Afrikanität gelesen, deuten schwarze Choreografinnen wie Brenda Dixon-Gottschild das Spiel mit den phallischen Bananen als Persiflage männlicher Begierde.
Die Geister, die man rief, wird man nicht mehr los: Bei allem Toleranz, Ironie- und Aufklärungsgebahren: die Bildproduktion des Kolonialismus sitzt tief und die Sexualisierung schwarzer Frauenkörper entspricht immer noch einer medialen Norm: zu bewundern auf allen Soulpartyankündigungen Berlins. Schwarze Performerinnen mussten immer dagegen ankämpfen, dass ihre Selbstdarstellung nicht wieder auf rassistische Lesarten reduziert wurde. Grace Jones hat 40 Jahre nach der Baker mit dem gleichen Ballast zu kämpfen und sie tut dies sehr bewusst. Nachdem sie in den 70ern mit drei Disco-Alben zur Stilikone der Gay-Community geworden war wurde sie mit dem Album Warm Leatherette von 1981, das New Wave, Reggae und ihren Sprechgesang auf eigentümliche Art vereinigte, zum international erfolgreichen Popstar. In Deutschland wurde sie u.a. auch deshalb ein mediales Ereignis, da die Zeitschrift stern im Rahmen der sogenannten Sexismus-Klage wegen entwürdigender Frauendarstellung verklagt wurde, nachdem sie auf dem Titelbild Jones in Ketten dargestellt hatten. Die berechtigte Empörung über die dümmliche Spektakelhascherei des stern ist dabei eine Sache; die selbstermächtigte Darstellung einer schwarzen Frau, die in den von weißen Codes geprägten Medien eine Sprache finden muss, eine andere: das Spielen mit einem von kolonialen Phantasien geprägten sadomasochistischen Verlangen oder eben deren Persiflierung ist für Weiße nur schwer erträglich, wenn das Objekt der Befreiung nicht die vorgegeben Bahnen der Befreiung einschlägt. Eine zur Schau gestellte Beschützergeste spricht einer schwarzen Frau eine Selbstermächtigung ab, die diese längst vollzogen hat.
Das Geniale an Baker und Jones ist, dass beide Weiße mit der Produktion ihres eigenen Rassismus konfrontieren, von dem diese angesichts der Komplexität der Performanz selbst nicht mehr genau wissen wie er funktioniert. Dieses Spiel hat seinen Ursprung im Minstrel, eigentlich eine Showform aus dem 19. Jhd. in der Weiße sich mit schwarz angemalten Gesichtern über die Lebensart Afroamerikaner lustig machten. Diese Show wurde mehr und mehr von Schwarzen selbst übernommen, die den weißen Blick auf Afroamerikaner persiflierten. Die Möglichkeiten einer schwarzen Selbstdarstellung war damals extrem beschränkt; aber es wurde damals von einem weißen Publikum nicht einmal verstanden: der Cakewalk beispielsweise, den die Baker exzellent beherrschte war eine Persiflage weißer steifer Bewegungen, wurde von Weißen aber so aufgefasst, dass Schwarze versuchten Weiße in ihrer „Grazie“ zu kopieren, daran aber scheiterten. Die Kritik der Schwarzen war für sie unlesbar, weil für sie eine Selbstermächtigung des schwarzen Objekts unvorstellbar war. Welche Umwege müssen Schwarze also gehen, um in dem Dickicht aus kolonialen Projektionen, Sexualisierung und Viktimisierung zu einer Subjektivität zu gelangen und diese behaupten zu können? Grace Jones spielte in ihren Videos oft auf diese Verwirrung an: mit dem Zitieren von blackface und whiteface, ihrem seltsamen Gang, körperlichen Verrenkungen und clownesken und den eigenen Körper abstrahierenden Kostümen. Sie wurde zur Maschine, mal fragmentiert, ikonisch oder metallen und quietschbunt: ästhetisch hatte sie das Menschliche überschritten. Und während Baker noch Werbung für Schönheitsprodukte wie Bakerfix machen musste, einem Mittel um krause (schwarze, afrikanische) Haare gemäß dem weißen Ideal zu glätten, machte Jones Werbung für Honda und Citroën, in dem ein Auto aus ihrem metallisch verlängerten Unterkiefer fuhr; bedeutend in diesem Zusammenhang ist auch ihr Kampf auf dem Eiffelturm gegen James Bond in „A View to a Kill“. Jones persiflierte primitivistische Mythen über den schwarzen weiblichen Körper und, da sie als Crossdresser auftrat, auch über den schwarzen männlichen Körper. In ihrer unvergesslichen Hymne Slave to the Rhythm präsentierte sie eine vieldeutige Gegenüberstellung der Sexualisierung von Schwarzen, Sklavenarbeit und der Selbstermächtigung ihrer eigenen Begierde: work to the rhythm – love to the rhythm - man machine - sing out loud - the chain gang song.
In Jones neuem Album Hurricane zeigt sie sich als Fabrikarbeiterin, die an einem Förderband ihre eigene Ikone herstellt. Von der medialen kolonial-ideologischen Herstellung schwarzer Körper bis hin zu einem Kommentar realer Arbeitsverhältnisse von Menschen mit ihrer Hautfarbe ist da alles drin. Baker trat bis zu ihrem Tod auf, um ihr humanistisches Projekt Rainbow Tribe zu finanzieren. Aber daran erinnert man sich nicht, auch nicht daran, dass sie eine der ersten schwarzen Bürgerrechtler war, die amerikanische Konzertveranstalter so unter Druck setzte, dass diese erstmalig Schwarze im Publikum zuließen mussten. Nein, es wird das Bananenröckchen bleiben und die weiße Konfusion darüber, ob das jetzt rassistisch war.
Aus: Berliner Zeitung