Texte
Über Selbstbestimmung
Vertraut den Frauen
Die Debatte um Abtreibungen wird dominiert von einem bevormundenden, negativen Frauenbild und vielen unhaltbaren Mythen. Paragraph 218 muss endlich gestrichen werden.
von Sarah Diehl
Mein Text in der ZEIT
Die Frau braucht kein Kind
Politik und Wirtschaft vermitteln, dass Frauen erst als beruflich erfolgreiche Mütter etwas wert sind. Weist allein das Kind den Weg zum Lebensglück? Auf dieser Annahme basiert eine ganze Ökonomie.
von Sarah Diehl
Mein Text in der ZEIT
Gebt mir all eure Windeln!
Babyfreie Zonen? Wer sich über laute Kinder in der Öffentlichkeit beschwert, verdrängt auch die Eltern.
von Sarah Diehl
Mein Text in der ZEIT
Du sollst nicht töten
AutorInnen definieren die 10 Gebote um.
Sarah Diehl über das 5. Gebot und das Recht auf Abtreibung
Mein Text in Der Freitag
Hindernisse in der Frauengesundheit international AM BEISPIEL schwangerschaftsabbruch
Der Vortrag gibt einen Überblick über Gesetze und Bewegungen, die Frauen davon abhalten ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, aber auch über die Frauensolidarität und Selbstorganisation wie Ciocia Basia oder Women on Waves, die es Frauen weltweit ermöglicht trotz Illegalität einen sicheren Zugang dazu zu bekommen.
Hier auf YouTube
INTERVIEWS MIT MIR IN PRINT UND FILM
"MÜSSEN FRAUEN MÜTTER SEIN?"
Es ist Zeit, auch über die negative Aspekte der Mutterschaft zu sprechen", meinen die beiden Regisseurinnen Laura García Andreu und Inés Peris Mestre. Sie stellen den gesellschaftlich weitgehend unangefochtenen "Mutter-Instinkt" in Frage, unterziehen das legendäre "Mutterglück" einem Realitätscheck und nehmen vielfach gehegte Vorurteile gegen kinderlose Frauen unter die Lupe. Mit Interviews von Sarah Diehl, Elisabeth Badinter, Orna Donath, Sarah Fischer u.a.
Schau den Dokumentarfilm hier auf YouTube
DIE FRAU ALS WÄRMEQUELL DER GESELLSCHAFT
Sie sind liebevoll, fürsorglich und von Natur aus gebärfreudig:
Sarah Diehl nimmt in ihrem Buch „Die Uhr, die nicht tickt“ das Frauenbild im 21. Jahrhundert auseinander. Ein Gespräch über kinderlose Frauen mit Sarah Diehl von Katrin Gottschalk
Interview im Missy Magazin
«VERTRAUT DEN FRAUEN»
Die Filmemacherin und Aktivistin Sarah Diehl beschäftigt sich mit dem Recht von Frauen, über ihren Körper bestimmen zu können. Vielen Frauen werde der Weg zu einer Abtreibung erschwert, selbst dort, wo sie legal ist. Diehl will, dass Abtreibung aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wird.
Interview in der WOZ
"Das Mutterideal und seine Folgen"
Interview mit Sarah Diehl
and now for something completely different... Eine Homestory!!!
Die Stigmatisierung der Abtreibung in Politik und Medizin
- Hintergründe und Folgen
von Sarah Diehl
»Frauen sterben nicht aufgrund von Krankheiten, die wir nicht behandeln können. Sie sterben weil unsere Gesellschaft noch die Entscheidung treffen muss, dass ihre Leben es wert sind gerettet zu werden.«
Unsichere Abtreibung durch Illegalisierung – das tabuisierte Gesundheitsproblem
Laut WHO stirbt alle sieben Minuten auf der Welt eine Frau an den Folgen eines illegal und medizinisch nicht korrekt durchgeführten Schwangerschaftsabbruchs. Weitere 5 Millionen Frauen leiden an daraus folgenden Verletzungen oder Infektionen, manchmal ein Leben lang. So dramatisch diese Zahlen sind, umso dramatischer ist die Erkenntnis, dass es sehr leicht wäre, dies zu verhindern.
In Südafrika führte die Liberalisierung des Gesetzes 1996 dazu, dass sich die Zahl der Todesfälle bei Schwangerschaftsabbrüchen um 91 % verringerte, in Guyana, wurden in den ersten sechs Wochen nach der Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes 41 % weniger Frauen nach einem illegalen Abbruch in Krankenhäuser eingeliefert. Diese Beispiele belegen, wie relevant staatlich nicht sanktionierte Abtreibungen für das Überleben betroffener Frauen und ihrer Familien sind.
Die Folgen unsicherer Abtreibungen betreffen aber nicht nur die jeweilige Frau, sondern führen auch zu gesamtgesellschaftlichen Problemen. 220.000 Kinder werden jedes Jahr zu Waisen, da ihre Mutter an einer unsicheren Abtreibung starb. Gerade in Gesellschaften, in denen sich vor allem Frauen um die Erziehung und Versorgung der Kinder kümmern, hat das dramatische Folgen für die gesamte Lebensplanung, Eigenständigkeit und Produktivität der Familie. Und letztlich sind auch die Belastungen des Gesundheitssystems aufgrund unsicherer Abtreibungen enorm und das meist in Ländern, in denen die infrastrukturellen Grundvoraussetzungen für das Gesundheitssystem ohnehin sehr unzureichend sind. So erfolgten in Südafrika vor der Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs beispielsweise fast die Hälfte aller Einweisungen in gynäkologische Abteilungen von Krankenhäusern aufgrund von Folgeschäden unsicherer, weil illegalisierter Abtreibungen. Würden Schwangerschaftsabbrüche unter sicheren Umständen vorgenommen, wäre dies also zudem eine große Entlastung für die Gesundheits- und Sozialsysteme.
Neben der Frage des individuellen Zugangs von Frauen zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen stellt sich folglich noch eine weitere Frage: Warum gehen Politiker bei ihren Entscheidungen zur (weiteren) Illegalisierung von Abtreibung trotz der klar nachweisbaren schweren Konsequenzen nicht von diesen empirischen Daten und Befunden aus, sondern von offensichtlichen ideologischen Beweggründen?
Die ökonomischen und gesellschaftlichen Zwänge unter denen Frauen leiden, stehen in einem problematischen Zusammenhang zu der moralischen und gesetzlichen Verurteilung von Abtreibung. Gerade wenn sich Gesellschaften in Umbruchsituationen befinden, fallen viele soziale Netze für Frauen weg und die Entscheidung über eine Schwangerschaft wird von den die Frauen stark beeinflussenden, gesellschaftlichen Zwängen und Moralvorstellungen diktiert. So sind z.B. alleinerziehende oder unverheiratete Mütter sozial und ökonomisch oft so marginalisiert, dass sie es sich finanziell wie sozial nicht leisten können, (noch ein) Kind zu bekommen.
Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Frauen, wenn sie abtreiben wollen oder sich dazu gezwungen sehen, es unter allen Umständen auch tun, unabhängig von den Gesetzen, mit denen ihre Gesellschaft dies sanktioniert. Durch moralische Verurteilungen werden Frauen nicht nur einer immensen, psychischen Belastung, sondern in der Folge tatsächlich einer gesundheitlichen und oft tödlichen Gefahr ausgesetzt. Weltweit haben jedes Jahr etwa 80 Millionen Frauen eine ungewollte Schwangerschaft und etwa jede fünfte Schwangerschaft endet mit einem Abbruch. Das macht etwa 41 Millionen Abtreibungen pro Jahr und bedeutet, dass jede dritte Frau weltweit in ihrem Leben einmal eine Abtreibung haben wird.
Diese Zahlen zeigen, dass ungewollte Schwangerschaften - und in der möglichen Folge auch der Schwangerschaftsabbruch - als normaler Bestandteil gelebter menschlicher Sexualität anerkannt werden müssen. Erfolgt dies nicht, werden Frauen in ihrer reproduktiven Selbstbestimmung immer verletzlich bleiben. Dabei geht es nicht, wie oft unterstellt, darum, Abtreibung als Verhütungsmethode zu propagieren, sondern anzuerkennen, dass ungewollte Schwangerschaften unvermeidbar sind, vor allem ob der Vielschichtigkeit der Faktoren, die darauf einen Einfluss haben. Hervorzuheben sind der Status der sexuellen Aufklärung (weltweit werden erhebliche Defizite beschrieben), der Zugang zu sicheren, verträglichen und erschwinglichen Verhütungsmethoden, die Fehlerquote von Verhütungsmitteln von bis zu 15 Prozent und die mangelnde Selbstverständlichkeit des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung von Frauen.
Aber auch selbstbestimmte und verantwortlich gelebte Sexualität lässt sich nicht zu 100 Prozent disziplinieren. Man muss hingegen fragen, ob die in vielen Argumentationen intendierte Forderung nach absoluter Kontrolle der Sexualität überhaupt erstrebenswert wäre oder ob sich dies nicht letztendlich immer gegen Frauen richtet. Das in den Debatten häufig leichtfertig, oder auch mit Kalkül, geäußerte Argument, dass Frauen doch verhüten können und, wenn sie das nicht richtig machen, dies auch zu verantworten haben, den »Preis« (das Austragen einer ungewollten Schwangerschaft!) dafür zahlen sollten, deutet darauf hin.
Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass weltweit die Hauptursache für Tod, Krankheit und Erwerbsunfähigkeit oder auch für den Abbruch von Berufsausbildungen von Frauen in Komplikationen bei der Schwangerschaft und der Entbindung liegt. Statistisch gesehen stirbt jede Minute eine Frau an den Folgen ihrer Schwangerschaft. Frauengesundheit ist insgesamt ein vernachlässigtes und stigmatisiertes Thema. Ohne Information über sexuelle und reproduktive Gesundheit und Dienstleistungen sowie Zugang zu Verhütungsmitteln haben viele Frauen keine Möglichkeit, ihr eigenes Leben zu bestimmen und zu gestalten. Hierbei ist wichtig hervorzuheben, dass in so genannten Entwicklungsländern Abtreibungsgesetze wirken, die die ehemaligen Kolonialmächte eingeführt haben. Rückständige europäische Gesetze sind dort oft noch unverändert gültig.
Abtreibung in der Medizin – Tabuisierung und Angst vor Rufschädigung
In vielen Ländern stellt es bereits einen Erfolg dar, wenn gegebene Gesetze, die den Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Umständen, wie Gesundheitsrisiken, Vergewaltigung oder Inzest straffrei stellen, überhaupt eingehalten werden. Oft müssen Frauen sich erst gegen die subjektiven Befindlichkeiten und uniformierten und vorurteilsbelasteten Vorstellungen des Gesundheitspersonals durchsetzen. Ärzte und Krankenhauspersonal stellen eine direkte Zielscheibe für organisierte Abtreibungsgegner dar, da sie letztendlich die Instanzen sind, die entscheiden, ob Frauen tatsächlich Zugang zu Abtreibungen bekommen oder nicht. Viele Ärzte haben Angst um ihren Ruf: Der Ruf »Babys zu töten«, wie von Abtreibungsgegnern propagiert, ist hierbei wirkmächtiger als der Ruf, sich für Frauenrechte einzusetzen. Viele Ärzte begegnen ihren Patientinnen mit Vorwürfen und manipulativen Informationen, die das Schuldbewusstsein der Frauen verstärken sollen oder weigern sich, Abbrüche durchzuführen.
In der südafrikanischen Provinz Western Cape gibt es z.B. nur drei Ärzte, die Abtreibungen vornehmen. Das ist vor allem eingedenk der hohen Zahlen an Vergewaltigungen und Inzest in der dortigen Region besonders dramatisch. Die wenigen Ärzte, die Abtreibungen anbieten, müssen ihre Arbeit mit einem hohen Maß an (auch unbezahltem) persönlichen Engagement verbinden: die dort ansässige Ärztin Marijke Alblas fährt beispielsweise alle zwei Wochen zu einer fünf Stunden von Kapstadt entfernten Klinik nach Georgetown, da es sonst keinen Arzt in der Gegend gibt, der diese Eingriffe durchführt. Zeit um mit den Frauen über ihre Situation zu sprechen, über Probleme, über die Zukunft, über Verhütung etc. bleibt da nur wenig.
Bedenklich in diesem Zusammenhang ist, dass der Schwangerschaftsabbruch weder als medizinisches noch als gesellschaftliches Thema fester Bestandteil der gynäkologischen Ausbildung ist. Was Abtreibung in den Argumenten der Rechtsprechung mit keiner anderen medizinischen Prozedur teilt, ist die Beurteilung, es solle den Frauen nicht zu einfach gemacht werden, Zugang dazu zu erlangen. Diese Rhetorik hat sich auch in der Ärzteschaft niedergeschlagen. Das mangelnde Bewusstsein des Gesundheitspersonals in der Auseinandersetzung mit dem Thema hat den von Konservativen erwünschten tabuisierenden Effekt.
Weitere Gründe warum Frauen keinen Zugang zu sicheren Abtreibungen haben, obwohl diese legal wären, sind, dass es weder für Frauen noch für das Gesundheitspersonal Informationen über die rechtlichen Regelungen gibt und vorschnell von beiden Seiten von der Illegalität ausgegangen wird. Dazu kommt, dass Frauen sich nicht trauen bei einem so stigmatisierten Thema nach ihren genauen Rechten zu fragen, da sie ein verurteilendes Verhalten befürchten oder gar, dass das Gesundheitspersonal mit ihren Familien spricht oder sie anzeigt.
Um den Mangel an Ärzten auszugleichen und da der Abbruch nach der Absaugmethode mit einer Risikoquote von 0,1 % tatsächlich einer der sichersten medizinischen Eingriffe überhaupt darstellt, gibt es in einigen Ländern wie Südafrika und Vietnam Regelungen, die es erlauben, dass auch Hebammen und Krankenpfleger Abtreibungen durchführen können. Aber auch hiergegen sprechen sich viele Ärzte aus, fürchten sie doch die Beschneidung ihrer Kompetenzen.
Zudem führen finanzielle Probleme von Frauen dazu, dass sie eventuell keine legalen Abtreibungen in Kliniken vornehmen lassen oder den weiten Weg dorthin auf sich nehmen können. Eine Zuspitzung erfährt diese Situation, wenn sie nicht wissen, wie sie in dieser Zeit ihre Kinder versorgen oder den Eingriff vor ihren Familien geheim halten können. Auch die zeitlichen Fristen erweisen sich oft als Hindernis: In Ländern mit schlechter Gesundheits- und Sexualaufklärung und weit entfernten Tageskliniken brauchen Frauen mehr Zeit: Sie müssen ihre Schwangerschaft überhaupt erkennen und realisieren, sie müssen eine Entscheidung über deren Fortführung oder Beendigung treffen und zudem einen Schwangerschaftsabbruch mit all dem, was dazu gehört (Reise, Abwesenheit von Familie und Beruf, die Kosten etc.) organisieren. In Südafrika hat man diese Aspekte mitberücksichtigt und deshalb die Frist bei sozio-ökonomischer Indikation bis zur 22. Woche gesetzt.
Eine interessante Abweichung stellen in diesem Zusammenhang die Karibischen Inseln dar. Je nach kolonialer Vorgeschichte (also den damals gesetzgebenden Staaten) haben die einzelnen Inseln verschiedene Indikationsregelungen für den Abbruch nach dem ersten Trimester und die Frauen reisen zwischen den Inseln hin und her - je nach dem was sie benötigen. Die Indikationsregelungen sind überall sehr restriktiv. Innerhalb der Ärzteschaft und des Krankenhauspersonales bis hin zu ranghohen Politikern im Gesundheitsministerium hat sich aber die Meinung durchgesetzt, dass Schwangerschaftsabbrüche notwendig sind und die Kriminalisierung für die Frauen schwerwiegende Konsequenzen hat. Deshalb wird es allgemein toleriert, wenn Frauen darum bitten eine Abtreibung durchzuführen. Tatsächlich hat das Gesundheitsministerium in Kliniken sogar Sicherheitsstandards für Abreibungen gesetzt, obwohl sie ja eigentlich illegal sind. Eine Legalisierung der Praxis ist nicht angestrebt, da sich Politiker wie Ärzte darüber einig sind, dass die durch das Bestreben der Legalisierung angestoßenen Debatten und die dabei entstehende Opposition religiöser und konservativer Politiker wahrscheinlich eine schlechtere Regelung zur Folge hätte, als die nun liberale und sich an den Bedürfnissen der Frauen orientierende klandestine Praxis. Wie ist also die Legalität und somit Offenlegung des Abbruch zu bewerten, wenn sich in diesem Falle gerade die Klandestinität dabei für die Frauen auszahlt? Die Lösung kann auch hier nur die breite, gesellschaftliche Anerkennung und Aufwertung des Rechtes auf reproduktive Selbstbestimmung auch im Kontext des Schwangerschaftsabbruchs sein.
Frauen in Ländern mit restriktiven Abtreibungsgesetzen haben mittlerweile auch risikoarme Wege gefunden, selbst Abtreibungen vorzunehmen: Das Medikament Misoprostol, das in vielen Ländern rezeptfrei in Apotheken für die Behandlung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren erhältlich ist, leitet, wenn man es in die Vagina einführt, Kontraktionen der Gebärmutter und in der Folge eine Abtreibung ein. Das Wissen darüber hat sich in Lateinamerika, wo in fast allen Ländern sehr restriktive Gesetze vorherrschen, genauso verbreitet wie in migrantischen Communities in den USA, die keinen Zugang zum Gesundheitssystem haben oder die versuchen ihre ungewollte Schwangerschaft nicht durch einen Arztbesuch gegenüber ihren Familien zu enttarnen. Auch gibt es klandestine Hilfeorganisationen, wie z. B. die Women on Waves bzw. Women on Web, die im Internet Seiten eingerichtet haben, über die Frauen die Abtreibungspille per Post bestellen können und angeleitet werden, sie richtig zu benutzen (http://www.womenonwaves.org). Die niederländische und irische Regierung haben allerdings bereits Maßnahmen getroffen, die diese Hilfe einschränken sollen.
Der internationale Backlash
Die Vereinten Nationen hatten 1994 zur Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung nach Kairo geladen. Die Konferenz gilt als Meilenstein, denn dort fällte die Staatengemeinschaft einen entscheidenden Beschluss: Sie erkannte zum ersten Mal das Recht eines jeden Menschen auf »reproduktive Gesundheit« an. Laut Definition bedeutet dies, dass »Menschen ein befriedigendes und ungefährliches Sexualleben haben können« und dass sie »die freie Entscheidung darüber haben, ob, wann und wie oft sie von ihrer Möglichkeit zur Fortpflanzung Gebrauch machen wollen«. Nach massivem Protest einiger Länder wurde hinzugefügt, dass der Schwangerschaftsabbruch nicht als Methode der Familienplanung anerkannt werden soll; wenn er jedoch legal ist, soll er von sachkundigem Personal durchgeführt werden. Leider gab es bezüglich der Entkriminalisierung von Abtreibung seither kaum weitere Fortschritte. Die letzten Länder, die Abtreibung (und dann auch meist nur bei bestimmten Indikationen und mit zu kurzen Fristen) in jüngerer Zeit entkriminalisierten, waren Portugal, Benin, Bhutan, Kambodscha, Tschad, Kolumbien, Äthiopien, Guinea, Iran, Mali, Nepal, Niger, Saint Lucia, Swaziland, Spanien, Schweiz, Thailand and Togo - außerdem dank eines progressiven Bürgermeisters der Bundesstaat Mexico Federal District, während es im restlichen Mexiko illegal blieb.
Das Problem unsicherer Abtreibungen wird von vielen Staaten insofern als handlungsrelevant anerkannt, da sie Klauseln haben, dass Frauen bei Komplikation aufgrund unsicherer Abtreibung in Kliniken geholfen werden soll. Damit wird unausgesprochen akzeptiert, dass es einen Bedarf an Schwangerschaftsabbrüchen gibt und dass sie tatsächlich in relevanten Zahlen vorkommen. Dennoch ist die Praxis so, dass die Frauen mit dem Problem allein gelassen werden und es in der Illegalität selber regeln müssen – ein untragbarer Zustand im Kontext der Verpflichtung zum Recht auf reproduktive und sexuelle Gesundheit. Lateinamerika ist z.B. die Region mit der höchsten Rate an unsicherer Abtreibung. Das subsaharische Afrika ist die Region mit der höchsten Sterberate aufgrund unsicherer Abtreibung. Die Hauptursache hierfür liegt in der defizitären, medizinischen Versorgung und dem Mangel an Einrichtungen, an die sich afrikanische Frauen richten können, wenn Komplikationen auftreten. Weltweit finden 48 Prozent aller Abtreibungen unter medizinisch unsicheren Umständen statt. Das betrifft somit etwa 20 Millionen Frauen. Mehr als 95 Prozent aller Abtreibungen in Afrika und Lateinamerika und etwa 60 Prozent aller Abtreibungen in Asien, mit Ausnahme von China, sind unsicher.
In afrikanischen Staaten ist der Anteil von unsicheren Abtreibungen an der Gesamtzahl der Sterblichkeit von schwangeren Frauen mit 20 Prozent am höchsten. Eine Problematik dieser Dimension sollte in der Frauenheilkunde auch wahrgenommen werden. Leider wird das offensichtliche Bedürfnis von Frauen nach sicheren Abtreibung aus den medizinischen wie auch politischen Diskursen nicht nur einfach ausgespart, sondern nach wie vor bewusst behindert.
Es gibt noch andere bedeutsame Faktoren, die Frauen in ihrer Wahlfreiheit einschränken, worunter nicht zuletzt auch ökonomische hervorzuheben sind: Illegale Abtreibungen waren und sind schon immer auch ein lukratives Geschäft und stellen einen finanziellen Anreiz für einen Teil der Ärzteschaft dar, sich nicht oder nicht nachdrücklich genug für die Legalisierung von Abtreibung einzusetzen. Verzweifelte Frauen z.B. in Argentinien sind bereit, bis zu 1.000 Peso für einen Schwangerschaftsabbruch zu zahlen, was etwa einem Monatsgehalt entspricht. Für die Ärzte, die im öffentlichen Gesundheitswesen nur ein sehr geringes Gehalt beziehen, stellt dies eine bedeutsame zusätzliche Einkommensquelle dar. Auch in Polen gibt es Hunderte von Ärzte, die im Krankenhaus eine Abtreibung verweigern, sie in ihren eigenen Arztpraxen aber gegen private Bezahlung durchführen. Den jährlich etwa 160 legal vorgenommenen Abbrüchen stehen etwa 200.000 illegale gegenüber. Unsichere Abtreibung ist hiermit auch ein ganz klares Klassenproblem, denn es sind arme Frauen, die diesen Ausweg suchen müssen. Vielleicht liegt es hierin begründet, warum auch viele besser gestellte (und somit einflussreichere) Frauen sich nicht offen für eine Legalisierung aussprechen. Sie lösen das oft einmalige Problem lieber klandestin mit Geld als offen für ihr Recht zu kämpfen.
Instrumentalisierung von Abtreibung durch Politiker und religiöse Gruppierungen
Die Regierung der USA unter Ronald Reagan hatte 1984 die Global Gag Rule in Kraft gesetzt, die seitdem jeweils unter der Regierung der Demokraten zurückgenommen und unter der der Republikaner wieder eingeführt wird. Sie besagt, dass den Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die Informationen und Dienstleistungen zum Schwangerschaftsabbruch anbieten oder sich auch nur befürwortend dazu äußern, die finanziellen Mittel der US-Regierung gestrichen werden. Dies ist auch dann der Fall, wenn die jeweilige Landesregierung es eigentlich befürwortet, dass NGOs zu diesem Thema arbeiten.
Die Global Gag Rule hatte dramatische Auswirkungen für viele Organisationen, die sich für die reproduktiven Rechte von Frauen einsetzen und sich dieser Bevormundung widersetzten. Schließlich waren die USA seit den 70er Jahren führend in der Verbreitung von Familienplanungsmethoden weltweit, wenn auch unter fragwürdigen Begleitumständen. Damals lag das Bestreben der USA mehr in einer durch den Kalten Krieg motivierten Angst vor der Überbevölkerung in den armen Länder und nicht in der Verwirklichungen von Frauenrechten. Dementsprechend organisiert waren die Programme, die auch Überredung und Zwang bis hin zu Medikamentenexperimenten an Frauen nicht ausschlossen. Aber mit der zunehmenden feministischen Perspektive im Bereich der internationalen Familienplanung kamen Frauenrechte mehr und mehr in den Fokus. Das mündete in den Beschlüssen von Kairo und Peking.
Die Gag Rule machte viele mühsam erkämpfte Errungenschaften innerhalb kürzester Zeit zunichte. Unter Bush wurden Abtreibungsgegner in Schlüsselrollen der US-Delegationen für die Vereinten Nationen (UNO) gewählt. Sie haben nicht nur mit dem Abtreibungsverbot, sondern auch mit ihren vornehmlich sexuelle Abstinenz propagierenden Aufklärungsprogrammen großen Schaden angerichtet. Und sie haben eine neue Abstimmung gegen den Konsens von Kairo erzwungen, die nur mit zwei Stimmen abgelehnt wurde.
Die Gag Rule führte nicht zu einer Reduzierung der Zahl von Abtreibungen, sondern bewirkte das Gegenteil dessen, was sie vorgeblich intendierte. Durch die Streichung von Geldern konnten die betroffenen NGOs (darunter v.a. International Planned Parenthood Federation, die in der Familienplanung führende Organisation weltweit) ihrer Aufklärungsarbeit in der Familienplanung und der Verteilung von Verhütungsmitteln in vielen Regionen nicht mehr nachkommen. Das hatte eine Erhöhung der Anzahl von ungewollten Schwangerschaften und Abtreibungen zur Folge. Die Behinderung der medizinischen Versorgung führte dazu, dass viele Kliniken schließen mussten. In zwölf Ländern gab es von heute auf morgen keinen Zugang zu Verhütungsmitteln mehr. Aber auch andere Programme litten dadurch, z.B. Krebsvorsorge, Impfungen und die Frauenheilkunde insgesamt. Obama hat diese Gag Rule zwar außer Kraft gesetzt, es ist aber absehbar, dass der nächste republikanische Präsident sie wieder einsetzen wird. Die daraus entstehenden Planungsunsicherheiten tragen zu einer großen Verunsicherung von NGOs bei. Für sie ist es riskant, sich für sichere und legale Schwangerschaftsabbrüche einzusetzen. Da NGOs Angst vor dem Verlust ihrer Geldgeber haben, entfernen sie sich also teilweise wider besseren Wissens von der Versorgung im Kontext ungewollter Schwangerschaften.
Leider hat die USA auch hier für andere Staaten Vorbildcharakter: Im März 2010 beschloss die Kanadische Regierung, dass ihre Entwicklungshilfe nicht nur das Thema Abtreibung ausspart, sondern sogar alle Gelder für Familienplanung streicht, d.h. auch für Sexualaufklärung und Verhütung. Dies macht deutlich wie weit konservative Politiker bereits in ihrem willkürlichen Bestreben, die Selbstbestimmung von Frauen in dieser Frage einzuschränken, gekommen sind. Die Lobby, die sich dem wirksam entgegenstellen kann, ist viel zu klein.
Dabei hatte Kanada in den 80er Jahren noch eine Vorbildfunktion für Frauenrechte in dieser Frage. Im Kontext der Debatten um die wiederholten Verurteilungen des Arztes Henry Morgenthaler, der Abtreibung legalisieren wollte, wurde gefordert, dass der Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft als normale ärztliche Behandlung wahrgenommen werden sollte und deshalb jede gesetzliche Einmischung unangebracht sei. Der Oberste Gerichtshof erklärte 1988 das bestehende Abtreibungsgesetz nach längeren, juristischen Auseinandersetzungen für verfassungswidrig und strich es ersatzlos. Der Schwangerschaftsabbruch ist seitdem nicht mehr im Strafrecht, sondern, wie jeder andere ärztliche Eingriff auch, ausschließlich im ärztlichen Standesrecht (und hier nicht einmal als eine besondere Maßnahme) geregelt. Es ist nur vor dem Hintergrund der Deutungshoheit konservativer Kreise zu verstehen, dass dieses Beispiel aus den 1980er Jahren nicht längst in anderen Ländern diskutiert und übernommen wurde.
Doch auch diese Regelung hatte nur auf den ersten Blick ausschließlich positive Auswirkungen: Da es in Kanada, wie auch sonst nirgendwo auf der Welt, kein Recht von Frauen auf Abtreibung gibt, hat sich heraus gestellt, dass die Zugänglichkeit zu Schwangerschaftsabbrüchen dort sehr mangelhaft organisiert ist. Tatsächlich werden in vielen Krankenhäusern Frauen - teilweise mit anmaßenden Kommentaren des Gesundheitspersonals - abgewiesen, wenn sie sich nach der Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs erkundigen und die Zahl der Ärzte, die den Eingriff durchführen wird v.a. im Landesinneren immer geringer. Bedenklich ist, dass sich auch viele Mediziner, die ein komplexeres Verständnis zur Notwendigkeit des Eingriffs und den Entwicklungsstand des Embryos bei den meist frühen Abbrüchen haben, trotzdem an der Stigmatisierung des Abbruchs beteiligen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit der Auseinandersetzung des Gesundheitspersonals mit diesem Thema in ihrer Ausbildung. Das betrifft Ärzte und Krankenpfleger ebenso wie anderes Verwaltungspersonal im Krankenhaus oder bei Krankenversicherungen. Die Attraktivität, sich gegenüber ungewollt schwangeren Frauen als »Lebensschützer« darzustellen, scheint auch hier sehr groß zu sein.
Kritisch zu betrachten ist die Tendenz in vielen Ländern, Klauseln in rechtliche Regelungsgefüge zur Abtreibung aufzunehmen, die es dem Gesundheitspersonal erlauben, Abtreibungen aus persönlichen Überzeugungen abzulehnen. Man kann argumentieren, dass Personal mit einer negativen Einstellung zum Schwangerschaftsabbruch besser nicht mit Frauen mit einer ungewollten Schwangerschaft umgehen sollte, da sie den Frauen eventuell nicht die optimale Behandlung zu kommen lassen werden. Andererseits erleichtert eine solche Klausel die unhinterfragte Selbstverständlichkeit der Stigmatisierung der Abtreibung und verhindert eine Auseinandersetzung des Personals mit den Bedürfnissen der Frauen. Zudem versuchen konservative Kreise, diese »moralischen Bedenken« nicht nur auf Abtreibung, sondern auf jede Form der Familienplanung zu beziehen. Bestürzend ist, dass sämtliche Gruppen von Abtreibungsgegnern in den USA sich ebenfalls gegen Familienplanung, Sexualaufklärung und Verhütung im Allgemeinen aussprechen, also paradoxerweise gegen die wichtigsten Maßnahmen, um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern. Bereits in drei US-Bundesstaaten sind Gesetze verabschiedet worden, die Apothekern erlauben, aus moralischen Bedenken die Herausgabe von Verhütungsmitteln und der so genannten Pille danach zu verweigern. Dass 2004 in Texas sogar ein Apotheker in einem Fall von Vergewaltigung die Herausgabe der Pille danach verweigerte, gibt einen beunruhigenden Ausblick darauf, wie die reproduktiven Rechte von Frauen mit dem Argument ethischer Befindlichkeiten des Gesundheitspersonals aufs Spiel gesetzt werden. Zudem gibt es in den USA in jedem Staat Kampagnen und Klagen, die oft erfolgreich die Zugänglichkeit zu sicheren Abtreibungen erschweren oder Versuche darstellen, Klinikpersonal wegen androhender Kriminalisierung davon abzuhalten Abtreibungen anzubieten.
Eine positive Entwicklung war 2005 die Verabschiedung der Afrikanischen Union des Protocol to the African Charter on Human and Peoples' Rights on the Rights of Women in Africa kurz Maputo Protocol genannt. Artikel 14 des Maputo Protocols spricht von den reproduktiven Rechten der Frau und befürwortet den Zugang zu Abtreibungen in Fällen von Vergewaltigung und Inzest und bei Gesundheitsproblemen der Frau. Es wurde seither von 25 afrikanischen Staaten ratifiziert. 2006 kamen Gesundheitsminister aus vielen afrikanischen Ländern zusammen und bestätigten erneut, dass sie konkrete Schritte planen, um diese Ziele umzusetzen. Aber der Widerstand gegen das Maputo Protocol ist groß, obwohl es noch nicht einmal Abtreibung auf Wunsch der Frau, mithin ohne ärztliche Indikation vorsieht.
Es ist kein Zynismus, wenn man feststellt, dass sich die Missionierung der afrikanischen Bevölkerung in der Kolonialzeit für die katholische und evangelische Kirche nun in dieser Frage auszahlt. Nirgendwo auf der Welt nimmt die Christianisierung und die Entstehung von katholischen Gemeinden (wie auch evangelikale Freikirchen) so zu wie auf dem afrikanischem Kontinent. Auch wenn man feststellen kann, dass die Macht der Kirchen in manchen Fällen eine positive Mobilisierungsfunktion für Bürgerrechte hatten (vgl. z.B. die politischen Proteste von Frauen gegen Charles Taylor in Liberia), haben sie für die Frauenrechte oft gegenteilige Auswirkungen. Die Skandalisierung von Abtreibung, oft gepaart mit dem Thema Homosexualität, ist ein willkommenes Werkzeug, um von unbequemen Problemen abzulenken und Frauen ihre Selbstbestimmungsrechte zu verwehren. Papst Benedikt beschrieb das Maputo Protocol als Versuch, Abtreibung als Menschenrecht anzuerkennen und mithin zu trivialisieren. Human Life International kaufte sofort die Webadressen maputoprotocol.com und maputoprotocol.org, um dort den Eindruck zu erwecken, dass es sich um den rassistisch motivierten westlichen Plan handele, die afrikanische Bevölkerung zu dezimieren. In Uganda haben das Joint Christian Council und die Katholische Bischofskonferenz erfolgreich gegen die Ratifizierung des Maputo Protokolls mobilisiert - mit dem Argument, dass Abtreibung unvereinbar mit der traditionellen christlichen Moral sei. Die Trennung von Staat und Kirche spielt hier scheinbar keine Rolle mehr.
Politiker in christlich geprägten Staaten wissen, dass sie leicht Stimmen verlieren, wenn sie sich der Mobilisierung gegen Abtreibung entziehen und die Kirche setzt dies gezielt ein. Aber Papst Benedikt setzt, wie sein Vorgänger, angesichts des Mitgliederschwunds in westlichen Ländern auf die Kirche als eine kreative Minderheit, der es um Qualität und nicht um Quantität gehe. Er versucht nicht mehr unter allen Umständen die breiten Massen in den Kirchen zu halten, sondern viel effektiver mit den internationalen Politikern zusammenzuarbeiten, die helfen seine Vorstellungen umzusetzen. So kam es u.a. zum Komplettverbot der Abtreibung in Nicaragua und der Rekriminalisierung in Polen. Zudem mobilisiert die Kirche in vielen Ländern für Verfassungsänderungen, in denen festgelegt wird, dass das Leben (im Sinne des Menschseins) bei der Empfängnis beginnt. Mit dieser auch gerade für Menschenrechtler auf den ersten Blick positiv und zivil klingenden Beschreibung wären alle Formen von Abtreibung auf einen Schlag Tötungsdelikte und mithin illegal und die Resolutionen der UN, der EU und der African Union irrelevant. In der Dominikanischen Republik ist seit dem 26. Januar 2010 in die Verfassung aufgenommen, dass das Leben bei der Empfängnis beginnt. Damit sind alle Abtreibungen ad hoc kriminalisiert, auch diejenigen, um das Leben der Frau zu retten. Präsident Leonel Fernandez meinte, dies sei die Verfassung des 21. Jahrhunderts. Im Gegensatz dazu wurden solche Bestrebungen in Bolivien 2009 abgelehnt.
Im US-amerikanischen Staat New Hampshire wurde im Februar 2010 mit nur drei Stimmen Mehrheit ein Gesetz abgelehnt, das dem Embryo Persönlichkeitsrechte geben wollte, womit Abtreibung ebenfalls komplett illegalisiert worden wäre. Über einen ähnlichen Gesetzentwurf wird demnächst im Bundesstaat Colorado abgestimmt. In vielen weiteren Bundesstaaten gibt es solche Gesetzesvorstöße, darunter Georgia, Utah und Florida.
In Kenia mobilisierte die Kirche dieses Jahr gegen ein Ja bei der Volksabstimmung für die neue Verfassung, falls darin nicht festgelegt wird, dass das Leben bei der Empfängnis beginnt. Dabei ist in Kenia Abtreibung derzeit nur legal um das Leben der Frau zu retten. Als die Bischöfe dort mit den Zahlen von Todesfällen wegen unsicherer Abtreibung konfrontiert wurden, ließen sie verlauten: »Gott macht Frauen und Männer für ihr Verhalten verantwortlich als Ehemann und Ehefrau Sexualität zu leben. In jedem Fall, in dem eine Schwangerschaft auftritt, ist es nicht das Problem des ungeborenen Kindes. Warum soll man das unschuldige, das hilflose menschliche Leben töten, wenn es das Resultat des Verhaltens von Erwachsenen ist?«
Diese Tendenzen machen sehr deutlich, welche Projektionsfläche potentielles Leben im Frauenkörper darstellt: Das unschuldige, das perfekte, vielleicht absolute Leben im Gegensatz zu Erwachsenen, die mit ihrer Biografie, ihrer Individualität und ihrer Sexualität schuldig werden. Abtreibung wird als Indikator für Immoralität und weibliche Überschreitung in der modernen Welt inszeniert: weibliche Selbstbestimmung als Ursache für Promiskuität und Verwahrlosung der Sitten. Das Abtreibungsverbot hingegen symbolisiert aus Sicht der Konservativen in einer aus den Fugen geratenen und von Zügellosigkeit und Unmenschlichkeit geprägten Welt immerhin noch »natürliche« Ordnung zwischen den Geschlechtern.
Die Menschenrechte des Embryos zu betonen, wird als Fortschritt in einer zivilisierten Welt dargestellt, ohne die Implikationen für die Frauen und für ihre Familien mitzudenken. Gegen Abtreibung zu sein, wird in einer Welt der Globalisierung und des Neoliberalismus mit einer vermeintlichen Kultur des Lebens verbunden, ein letztes Refugium der Fürsorglichkeit und Liebe. Weiterhin bietet das Thema Abtreibung an, Nahrung für subjektive Projektionen auf die eigene Biografie, die eigenen Lebenskonflikte und bezüglich verabsolutierbarer Wertebilder wie »gut« und »böse«, »heilig« und »verkommen«, mithin Leben und Tod darzustellen, weshalb das Thema so verletzlich für seine Instrumentalisierung ist.
Was verbirgt sich hinter diesem Zusammenhang, also hinter der oft kolportierten Aussage, man solle es Frauen nicht zu leicht machen abzutreiben? Die Informiertheit und Selbstbestimmtheit von Frauen wird nicht als Weg aus der Krise, sondern als Gefahr für die Gesellschaft dargestellt. Anstatt das Problem der realen Geschlechtergerechtigkeit in der Gesellschaft in den Fokus zu holen und zu thematisieren, warum Mutterschaft und Vaterschaft immer noch so unterschiedlich bewertet werden, anstatt sich an den Bedürfnissen von Frauen nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Beteiligung der Männer an der Reproduktionsarbeit zu orientieren, wird nach einem weiteren Anlass gesucht, um die Verhältnisse nicht zugunsten der Frauenrechte verändern zu müssen: Es scheint fast so, als ob die populistische Verurteilung der Abtreibung einem Ablenkungsmanöver von den eigentlichen sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen dient. Dabei machen die Entwicklungen in Europa deutlich, dass gerade in Ländern, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht unterstützen die Geburtenrate sinkt, da Frauen dazu tendieren sich gegen eines oder mehrere Kinder zu entscheiden, wenn sie die Familienplanung nicht mit ihrem Berufsleben vereinbaren können.
Das Argument, dass sich Abtreibung gegen die Familie richten würde, ist unhaltbar: Armut und der Mangel an Ausbildung für die Mutter und ihre Kinder sind oft Folgen einer hohen Kinderzahl in einer Familie oder einer alleinerziehenden Mutter. Die Selbstbestimmung der Frau stellt für viele soziale Probleme nicht die Ursache dar, sondern die Lösung.
Und ein weiterer Bezugsrahmen ist zu sehen: 2009 fand in Amsterdam unter Beteiligung hochkarätiger, internationaler Politiker der 5. Weltkongress der Familien statt. Die auf diesem und ähnlichen Kongressen stattfindende Propagierung der »natürlichen Familie« (das bedeutet die bürgerliche Kleinfamilie, mit dem Ehemann als Ernährer und der Frau als umsonst arbeitende Hausfrau und Mutter, wie sie sich seit dem 18. Jahrhundert herausgebildet hat), versucht die Etablierung von Frauenrechten als Gefahr darzustellen. Die Rechte und das Wohl von Kindern und Familien werden hier nicht ergänzend, sondern im Gegensatz oder einer latenten Konkurrenz zu den Rechten von Frauen stehend inszeniert. Vor dem Hintergrund der fallenden Geburtenzahlen in vielen europäischen Ländern werden Ängste vor Überfremdung und Islamisierung geschürt. Organisierte Abtreibungsgegner nutzen dies zielgerichtet, um die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen als Grund für einen gesellschaftlichen Verfall verantwortlich zu machen. Weißen, christlichen Frauen wird die Verantwortung für die demografische Zukunft ihrer Nationen zugesprochen, während gleichzeitig Kinder aus Migrantenfamilien als Problemfälle der US-amerikanischen oder europäischen Gesellschaft dargestellt werden. Dementsprechend wurde auf dem 4. Kongress 2007 in Warschau unter der Beteiligung der polnischen Regierung Polen mit seinem Abtreibungs- und Aufklärungsverbot als Bollwerk gegen den Verfall Europas gefeiert. Mitorganisiert wird dieser Kongress neben dem rechtsgerichteten American Society for the Defense of Tradition, Family and Property und auch von Mitgliedern von Human Life International (HLI).
HLI ist mit ihrem Hauptsitz in den USA und Büros in 80 weiteren Ländern die größte und einflussreichste Organisation von Abtreibungsgegnern weltweit. Sie machen sowohl Lobbyarbeit in der internationalen Politik als auch Aktionen auf Gemeinde- und Grasswurzelebene. Um ihre Programme und Zielsetzungen zu verschleiern, gründeten sie zwei Ablegergruppen: zum einen das Population Research Institute, das sich wissenschaftlich und säkular gibt und zum anderen das Catholic Family and Human Rights Institute, das international religiöse Gruppen und Repräsentanten des Vatikan organisiert. Auf diesen Kongressen für die Familie, die wie UN-Kongresse organisiert sind und auch deren Gestus übernommen haben, mobilisieren sie mit dem Argument, die Familie retten zu wollen, eine internationale und hochkarätige Lobby gegen Familienplanung und Frauenrechte. Ihr Einfluss zeigt sich in ihren Aktionen der letzten zwei Dekaden: Sie waren beteiligt an der Vorbereitung des absoluten Abtreibungsverbots in Nicaragua ebenso wie an den absurden Anschuldigungen gegen die UNFPA, sie würden den Genozid Milosevics weiterführen, da sie vergewaltigten Frauen im Kosovo Notfallverhütung und Zugangsmöglichkeiten zu sicheren Abtreibungen zur Verfügung stellten. Das führte tatsächlich zu einer Untersuchung, die das Programm der UNFPA hätte gefährden können. Sie mobilisieren mit angeblicher, antiimperialistischer Geste gegen das Maputo Protocol, während sie in den USA die Familien der Mörder von Abtreibungsärzten, die oft aus dem rechtsradikalen Milieu stammten, finanziell unterstützen. Besonders alarmierend ist, dass internationale Abtreibungsgegner angesichts der Gag Rule und der Instrumentalisierung des Arguments des Antikolonialismus und des Antiimperialismus die Entwicklungshilfe als Experimentierfeld nutzen, um ihre Ziele durchzusetzen.
Die Situation in der EU und der BRD
In den meisten westeuropäischen Ländern ist die Situation für Frauen weniger dramatisch. Etwa 92 % aller Abtreibungen hier sind sicher. Auch wenn derzeit in vielen europäischen Ländern die Strafverfolgung von Frauen und Ärzten abgewendet ist, bedeutet dies jedoch nicht, dass ein moralisches Recht auf eine Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch erreicht wäre. Das erschwert die Zugänglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch und übt zugleich einen moralischen Druck auf Frauen aus, die sich für eine Abtreibung entscheiden. Ganz unabhängig von ökonomischen oder sozialen Zwängen müssen Frauen ein selbstverständliches Entscheidungsrecht über ihre reproduktiven Fähigkeiten haben. Auch Darstellungen, dass Abtreibung immer eine schwierige und tragische Entscheidung sei, nur ein letzter Ausweg etc. spielen Abtreibungsgegnern in die Hand. Liebe, Begierde und Sexualität lassen sich nicht bis ins Letzte kontrollieren und disziplinieren und auch die verantwortungsvollste Verhütung kann nicht immer vor einer ungewollten Schwangerschaft schützen. Wenn dies nicht anerkannt wird, wird das Selbstbestimmungsrecht von Frauen weiterhin in Frage gestellt werden.
Es gibt aber auch europäische Länder mit katastrophalen Umständen. In Polen werden Abbrüche selbst dann nicht durchgeführt, wenn sie laut Gesetz legal sind, wie im Fall der Bedrohung von Leben und Gesundheit der Frau, denn eine Sonderregelung erlaubt Ärzten unter Berufung auf Gewissensgründe, Abtreibungen generell zu verweigern und viele Ärzte haben aufgrund der extremen Stigmatisierung und der unklaren Rechtslage Angst vor Kriminalisierung. Das restriktive Gesetz wird aber nicht einmal mit einer ausreichenden Sexualaufklärung ausbalanciert. Im Gegenteil: In dem Schulfach »Erziehung zum Familienleben« werden Themen wie Sexualität und Verhütung kaum noch angesprochen.
Polen, Irland und Malta, wo Abtreibung sogar bei Gefährdung der Gesundheit der schwangeren Frau, Vergewaltigung und Inzest illegal ist, haben ihren Beitrittsverträgen zur Europäischen Union Zusatzprotokolle angefügt, in denen sie sich das Recht vorbehalten, unter allen Umständen souverän über ihre Abtreibungsregelungen zu entscheiden. Interessant ist hier die Frage nach der Motivation dieser Länder, gerade Abtreibung als Thema zu wählen, um sich von der EU abzugrenzen bzw. sich in ihrer Autonomie zu präsentieren. Alle diese Länder haben Erfahrung mit Fremdbestimmung gemacht und/oder werden in der EU als nicht sehr bedeutsam angesehen. Abtreibung wird auch zur Inszenierung der nationalen (katholischen) Identität benutzt, um sich im Gegensatz zu anderen EU-Ländern mit einer Projektion auf den »Lebensschutz« als moralisch überlegen zu generieren und die eigene Unabhängigkeit zu zelebrieren. Da dies bei Themen wie z.B. Wirtschaft oder Außenpolitik schwerwiegende Konsequenzen bezüglich des Beitritts hätte, macht man es bei den Frauenrechten, die in der EU real vielfach immer noch eher Symbolcharakter tragen.
Die Folgen dieser Inszenierung müssen die Bürgerinnen tragen. Jeden Tag müssen statistisch gesehen 17 irische Frauen für einen Abbruch nach England reisen. Aber anstatt dies in der EU zu skandalisieren und wirksam bestimmte Standards bezüglich der Frauenrechte in dieser Frage zu setzen, werden unter der Hand andere Lösungen gesucht: England hat mit 24 Wochen die am weitesten gefasste Fristenlösung in Europa. Im Jahr 2006 wurde diese Frist neu diskutiert, um die neuen medizinischen Erkenntnisse über die Schmerzempfindlichkeit und das Bewusstsein des Fötus mit einzubeziehen. Eine Kommission kam zu dem Schluss, dass die 24 Wochen Frist nach den neuen medizinischen Erkenntnissen gerechtfertigt sei (hier wäre es gut wenn ich noch eine Fussnote mit der entsprechenden Studie einfügen kann: Fetal Awareness - Review of Research and Recommendations for Practice. Diese Studie der The Royal College of Obstetricians and Gynaecologists ist hier online einzusehen: http://www.rcog.org.uk/fetal-awareness-review-research-and-recommendations-practice). Als weiterer Vorteil dieser Frist wurde aber auch genannt, dass die Situation irischer Frauen berücksichtigt werden müsse, die mehr Zeit bräuchten, um die Reise nach England und das Geld für den Abbruch zu organisieren. Auch pro-choice Organisationen aus Polen raten Frauen mittlerweile nach England zu fahren, statt eine überteuerte illegale Abtreibung in Polen zu haben.
Angesichts des geringen Widerstands in der EU gegen die Zusatzklauseln dieser Beitrittsländer, muss man fragen, welche Vorstellungen von Frauenrechten hier vertreten werden, wenn es bezüglich Schwangerschaftsabbrüchen manchen Mitgliedsländern erlaubt ist, sich offensichtlich gegen internationale Gesundheitsstandards, z. B. der WHO, zu stellen. Aber es gab auch positive Entwicklungen: Zu nennen sind hier die Bestrebung der Niederlande und Großbritanniens, den durch die Gag Rule entstandenen Schaden mit einer Erhöhung der eigenen Leistungen im Bereich der internationalen Familienplanungsprogramme aufzufangen. Auch verabschiedete das EU Parlament 2008 und 2010 eine Resolution, die besagt, dass Frauen die Kontrolle über ihre sexuellen und reproduktive Rechte durch einen vereinfachten Zugang zu Verhütung und Abtreibung haben müssen. Solche Resolutionen haben allerdings keine Wirkungsmacht auf Länder, die sich dagegen stellen.
Nicht nur in Brüssel betreiben christlich-konservative Gruppen Lobbyarbeit gegen das Recht auf den Schwangerschaftsabbruch. In den einzelnen Ländern versuchen organisierte Abtreibungsgegner, ganz gezielt den Zugang zu erschweren: In Salzburg beispielsweise haben sich ansässige Gynäkologen, auf Druck von religiösen Abtreibungsgegnern, kollektiv geweigert, weiterhin Abbrüche durchzuführen. Deshalb fahren engagierte Gynäkologen aus Wien zweimal im Monat nach Salzburg, um dort Frauen einen Abbruch im öffentlichen Krankenhaus zu ermöglichen. Vor dem Krankenhaus demonstrieren Abtreibungsgegner nach US-amerikanischem Vorbild und setzen Frauen und medizinisches Personal unter Druck. Ebenfalls nach diesem Vorbild entstehen mehr und mehr Zentren die vorgeben, Frauen neutrale Beratung anzubieten, in der Realität aber versuchen mit manipulierten und einschüchternden Informationen und Medien Frauen von ihrer Entscheidung (hier fehlt ein hierfehlt ein
In Salzburg beispielsweise haben sich ansässige Gynäkologen, auf Druck von religiösen Abtreibungsgegnern, kollektiv geweigert, weiterhin Abbrüche durchzuführen. Deshalb fahren engagierte Gynäkologen aus Wien zweimal im Monat nach Salzburg, um dort Frauen einen Abbruch im öffentlichen Krankenhaus zu ermöglichen. Vor dem Krankenhaus demonstrieren Abtreibungsgegner nach US-amerikanischem Vorbild und setzen Frauen und medizinisches Personal unter Druck. Ebenfalls nach diesem Vorbild entstehen mehr und mehr Zentren die vorgeben, Frauen neutrale Beratung anzubieten, in der Realität aber versuchen mit manipulierten und einschüchternden Informationen und Medien Frauen von ihrer Entscheidung abzubringen. Organisationen wie z.B. Aktion Leben, die den Embryo wie ein Kind personalisieren und gewollt wie ungewollt schwangere Frauen als »Mama« ansprechen, bieten ihr Informationsmaterial auch Schulen als Unterrichtsmaterial an. In den letzten Jahren haben Demonstrationen von Abtreibungsgegnern auch in Deutschland zugenommen, sei es vor Kliniken oder als vom Bundesverband Lebensrecht organisierte Schweigemärsche. Sie fanden u.a. in Berlin, Münster, Ulm und München statt. Aber auch juristische Klagen von Abtreibungsgegnern gegen Beratungsstellen zur Familienplanung und gegen Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, nehmen zu. Für die Abtreibungsgegner ist hochgradig unterstützend, dass der Abbruch auch in der BRD immer noch eine prinzipielle Straftat gegen das Leben ist und nur unter bestimmten Ausnahmebedingungen straffrei bleibt (vgl. § 218 StGB). Aufgrund der Rechtswidrigkeit des Abbruchs auf Wunsch der Frau werfen diese Gruppierungen (z.T. auch Einzelpersonen) Ärzten dann vor, sie würden für eine illegale Tat werben, wenn sie z.B. auf ihren Webseiten u.a. auch darüber informieren, dass sie Abbrüche durchführen.
Das Gesetz von 1993/1995, das im übrigen eine deutliche Einschränkung der vorherigen Rechte ostdeutscher Frauen darstellt, sieht zudem eine Beratungspflicht vor, die Frauen in der Konsequenz als potentiell verantwortungslos, unwissend und unmündig markiert. Ein Beratungszwang ist in sich ein Paradox. Es geht offensichtlich nicht um Information, denn dies wäre durch vielfältige, freiwillige Beratungsmöglichkeiten realisierbar, sondern unter der Betonung des Schutzes der Rechtes des ungeborenen Lebens letztlich um die Reproduktion patriarchaler Herrschaft in der grundgesetzlich legitimierten Schuldzuweisung und den Rechtfertigungszwang für die Frauen. Auch die unter Sozialministern Deutschlands immer wiederkehrende Debatte darum, die Kostenübernahme bei Schwangerschaftsabbrüchen für Frauen in sozialen Notlagen zu streichen oder zu reduzieren zeugt nicht von einem Verständnis oder gar einer Anerkennung der reproduktiven Rechte von Frauen.
Die organisierten Abtreibungsgegner in Deutschland haben von dem gelungenen Backlash in den USA gelernt. Im Vergleich USA und Europa zeigt sich eine interessante Parallele: Der Kampf gegen Rassismus und Behindertenfeindlichkeit wird instrumentalisiert, um den Schwangerschaftsabbruch und die Befürworter des Rechts auf einen freien Zugang zu dieser Möglichkeit zu diskreditieren. So wird dem Familienplanungszentrum Planned Parenthood von Abtreibungsgegnern vorgeworfen, die afroamerikanische Bevölkerung durch Abtreibung reduzieren zu wollen. Die Gründerin des Zentrums Margaret Sanger hatte 1938 das sogenannte Negro Project gestartet, u.a. in Zusammenarbeit mit dem Soziologen und Bürgerrechtler W.E.B. DuBois. Dieses Projekt wollte Familienplanung auch den Frauen in armen schwarzen Gemeinden im Süden der USA zugänglich machen. Organisationen von Abtreibungsgegnern wie Pro-Life Union benutzen bis heute falsche oder aus dem Kontext gezogene Zitate, um den Vorwurf zu erhärten, dass somit die Extermination der schwarzen Bevölkerung geplant war und demonstrieren im Internet, vor Kliniken und Universitäten gegen den »black genocide«, der in den PP - Kliniken immer noch stattfände. Auf Flyern der Gruppe Life Education argumentieren diese: »Between 1882 and 1968, 3,446 Black people were lynched in America. Today more Black babies are killed by white abortionists every three days than all who were lynched in those years.« Gerade in universitären Gruppen (u.a. die Medical Students For Life mit 68,000 Mitgliedern) fallen solche sich auf Menschenrechte und Antirassismus beziehende Argumente auf fruchtbaren Grund. Im März 2010 wurde ein Gesetz in Georgia verabschiedet, das strafrechtlich verfolgt, wenn jemand eine afroamerikanische Frau zu einer Abtreibung »überredet«. Sister Song, eine Organisation afroamerikanischer Frauen, veröffentlichte danach einen Kommentar, dass die negativen und von Abtreibungsgegnern erwünschten Effekte dieses scheinbar antirassistischen Gesetzes entlarvt: Es soll Ärzte einschüchtern Abtreibung durchzuführen, auch wenn Frauen darum bitten, weil die Gefahr besteht danach willkürlich verklagt zu werden und als Rassist verleumdet zu werden.
Durch Einschüchterung von Gesundheitspersonal und das Kriminalisieren bestimmter medizinischer Dienstleistungen wurde in den USA der Zugang zu sicheren Abbrüchen bereits immens erschwert. In ganz Mississippi mit fast 3 Mio. Einwohnern und einer hohen Rate an afroamerikanischen Teenagern mit ungewollten Schwangerschaften gibt es nur noch eine Klinik, die Abtreibungen durchführt. Vor dieser stehen jeden Tag Abtreibungsgegner, um Frauen am Zutritt zu hindern. Dies ist besonders dramatisch, weil der Rassismusvorwurf nicht nur gegen Abtreibung benutzt wird, sondern auch gegen die Verteilung von Verhütungsmitteln, worauf Ingrid Husisian von PP/New York hinweist. Generell lässt sich feststellen, dass Abtreibungsgegner linke, antirassistische und feministische Debatten und Strategien vereinnahmen, um ihre frauenfeindlichen Bewegründe zu verschleiern.
In Deutschland kann man eine ähnliche Tendenz der Instrumentalisierung eines brisanten gesellschaftspolitischen Problems erkennen. Um die gesellschaftliche Stimmung gegenüber Abtreibungen zu beeinflussen und den Weg für weitere Gesetzesverschärfungen zu ebnen, wird die Bedeutsamkeit der Eugenikdebatte im Kontext der Geschichte des Nationalsozialismus genutzt, um die sogenannte Spätabtreibung zu skandalisieren. Mit den Bestrebungen zur Änderung, resp. Verschärfung des § 218, wenigstens aber des §2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (ersteres konnte verhindert werden, letzteres wurde im Mai 2009 durchgesetzt) ging eine ver-einseitigende Debatte einher: Frauen ließen infolge eines psychischen Traumas nach der Mitteilung einer embryopathischen Diagnose und ohne entsprechende Beratung Spätabbrüche vornehmen, wenn sich herausstelle, dass eine bisher erwünschte Schwangerschaft ein behindertes Kind zur Folge hätte. Andere Gründe für eine Spätabtreibung, wie beispielsweise die Notwendigkeit eine spät entdeckte, unerwünschte Schwangerschaft aufgrund bedrohlicher, familiärer Umstände oder gesundheitlicher Risiken der Frau abzubrechen, wurden in der öffentlichen Debatte nicht oder kaum verhandelt. Statt dessen wurde im Kontext der Diskussion über Behinderung in einer Gesellschaft, in der Behinderung hauptsächlich als Kosten- und Karriereproblem gesehen wird und Behinderte nicht tatsächlich in die Gesellschaft integriert sind, die Verantwortlichkeit individualisiert an die Frau weitergegeben.
Die Pathologisierung von Schwangerschaftsabbrüchen
Von den Staaten mit liberaler Abtreibungspolitik könnte man erwarten, dass das Thema auch auf enttabuisierte Weise in der Öffentlichkeit behandelt wird. Aber Abtreibung wirft fundamentale Fragen auf, in Bezug auf Geschlechterrollen und die menschliche Existenz überhaupt. Unsere Gesellschaft scheint noch keinen Weg gefunden zu haben, sich diesem Thema außerhalb einer Haltung politischer, religiöser oder moralischer Vorwürfe und Polarisierungen zu stellen. Nicht zuletzt deshalb ist es auch aus persönlichen Erzählungen und medialen Repräsentationen in unserer Gesellschaft weitestgehend ausgeklammert. Obwohl etwa ein Drittel aller Frauen weltweit in ihrem Leben wenigstens eine Abtreibung hat, ist diese Erfahrung jener Frauen immer noch kein Thema, das gesellschaftlich anerkannt wird. In Literatur, in Spielfilmen und in der Kunst gibt es nur sehr rare Beispiele für eine Auseinandersetzung mit dieser Thematik. Somit bleibt Frauen oft nur die Möglichkeit, ihre Erfahrungen mit dem Thema ungewollte Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch im Zerrspiegel der politischen, moralischen und religiösen Kämpfe in der Gesellschaft zu erleben. Abtreibungsgegner benutzen gern die Vorstellung von traumatisierten Frauen als Beweis für die »Unnatürlichkeit« des Schwangerschaftsabbruches und dafür, dass die Mutterschaft immer, sogar in Fällen von Vergewaltigung, die gesündere, weil natürlichere Entscheidung sei. Hingegen sollte man die Frage stellen, inwieweit die Annahme von natürlichen Mutterinstinkten, dem Frauen biologisch und emotional ausgeliefert seien und der moralische Druck, der durch die Personalisierung von Embryonen entsteht große emotionale Konflikte auslösen sollen.
Den Mangel an Öffentlichkeit und damit der Möglichkeiten des tatsächlichen Erfahrungsaustausches von Frauen zu diesem Thema nutzen Abtreibungsgegner sehr gezielt. Mit Studien aus den eigenen selbsternannten »Forschungsinstituten« wie IMABE, Elliot oder WIESE versuchen sie seit langem und immer wieder das Post-Abortion-Syndrom (PAS) nachzuweisen, in dem sie emotionale Konflikte von Frauen bei und nach einer Abtreibung als grundsätzlich pathologisch darstellen. Dabei werden Depressionen, das Scheitern der Beziehung oder Suizid ebenso als mögliche Folge dargestellt wie Unfruchtbarkeit oder Brustkrebs. Im Gegensatz dazu muss betont werden, dass das sogenannte PAS von keinem seriösen medizinischen oder psychologischem Institut weltweit als Krankheitsbild anerkannt wurde, auch internationale Klassifikationen von psychischen Erkrankungen enthalten es nicht. Dennoch haben es Abtreibungsgegner geschafft, diesen Begriff in die populärwissenschaftliche Literatur und Debatte einzuführen.
Tatsächlich ergab 2008 eine Studie der American Psychological Association (APA), dass die Zeit des größten Stresses, der Angstgefühle und der Unsicherheit der Frauen vor der Abtreibung liegen und nicht danach und dass Frauen, die große psychologische Probleme nach einer Abtreibung aufweisen, diese bereits schon vorher hatten.
Dies hält Abtreibungsgegner aber nicht davon ab, Frauen Therapien und Internetforen anzubieten, in denen die Erfahrung einer Abtreibung als Ursache für ihre Lebenskonflikte dargestellt werden. Die Demokratisierung von Informationen durch das Internet bedeutet, dass deren Aktivisten schnell und kostengünstig manipulative Webseiten kreieren. Durch vermeintliche Neutralität und Objektivität können sie zu mächtigen Überzeugungsmitteln werden, mit denen man viele Menschen erreichen kann. Das ist besonders problematisch für schwangere Frauen, die Hilfe suchen, denen aber der Zugang zu neutralen Informationen in Bezug auf Verhütung und Abtreibung erschwert ist. Wenn man die Begriffe Abtreibung oder Abortion in Internetsuchmaschinen eingibt, findet man auf den obersten Plätzen Seiten von Abtreibungsgegnern, die die Uninformiertheit, Isolation, Ängste und Verunsicherung der Frauen gezielt nutzen. Leider ist eine breiter organisierte Gegenöffentlichkeit aufgrund der Stigmatisierung des Themas schwer zu formieren. Statements von Fachgesellschaften, wie z.B. pro familia in Deutschland oder der IPPF dringen bislang noch zu wenig in die Öffentlichkeit vor. Ein Thema, das so offensichtlich mit körperlicher Markierung zu tun hat, scheint es auch in der jüngeren Frauenbewegung schwer zu haben. Dabei bietet sich das Thema der Abtreibung als eines an, an dem eine Vielfalt gesellschaftlich relevanter Aspekte verhandelt werden können, die Normvorstellungen über Sexualität, Selbstbestimmung und die Reproduktionsarbeit von Frauen in Frage stellen. Es ist zu hoffen, dass die jüngere, feministische Bewegung sich dieses Thema wieder aneignet!
Solange das moralische Recht auf Abtreibung nicht akzeptiert und gesichert ist, wird es Abtreibungsgegnern – welche Motivation sie auch immer haben – immer wieder gelingen, auch das gesetzliche Recht auf Abtreibung zu untergraben und den Zugang zu erschweren. Frauen müssen in ihren reproduktiven Fähigkeiten und Rechten unter allen Umständen unterstützt und geschützt werden. Das Recht auf Abtreibung ist Bestandteil des Rechtes auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung und auf reproduktive Sicherheit.
aus:
Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte
Nationale und internationale Perspektiven
Herausgegeben von Prof. Dr. Ulrike Busch
Nomos Verlag, 2010
ISBN 978-3-8329-5943-2
In English
abortion democracy:
interview with Sarah Diehl about pro choice activism and media
Sarah Diehl (SD) is a filmmaker, journalist, editor and writer from Berlin, Germany. She lectures on Reproductive Rights internationally. In this interview, Sarah talks about her award-winning documentary Abortion Democracy: Poland/South Africa (Germany, 2008),1 strategies for speaking out, and how allies and opponents alike are using social networking platforms to claim authentic abortion discourse in the public realm.
RC: Your academic background is in researching African women’s literature and abortion politics. How did the film abortion democracy: Poland and South Africa come about?
SD: First, I produced a book called Deproduktion – Abortion in an International Context which came out in 2007. I invited women from different continents to talk about the situation in their countries. I had a lot of women from Africa and South America where abortion is mostly illegal and sex education and contraception scarce. But it is not only about individual access. Abortion is being hijacked by conservatives to campaign against women’s rights. Conservatives know that if they stigmatize abortion they can mobilize a huge crowd against the women’s movement with the language of saving life (meaning the embryo). All of a sudden abortion is about the human rights of embryos and not of women anymore. Yet even within gender studies and feminist scenes, abortion is not visible. Many people perceive it as an old topic that isn’t relevant anymore. The idea of deconstructing gender is taking space away from talking about women’s lives. I am in favour of deconstruction, and it’s an effective method, but it’s not the whole story. I feel that academic feminists use it as a comfortable escapism, so as not to deal with lived reality anymore. We deconstruct and then we are free. Unfortunately, it is not that easy. Especially for lower class women who don’t have the language and financial means to defend themselves against the rhetoric of biology and guilt. Deconstruction can be a very elitist thing. There is a lot going on under the feminist radar, which is dangerous, because after working for 5 years on reproductive rights I do think that we have to prepare for a huge backlash.
The discussion about abortion becomes a good tool to make the struggle clear again: to show how patriarchy works and how this affects our bodies and minds, whether we want it or not. After producing the book, I decided that I wanted to continue researching and presenting on this topic. I saw that making a film would have a much better outcome, so it was partly a pragmatic decision to reach more people. On the other hand I always wanted to make films, but publishing was just more accessible for me. I bought a second hand digital camera for five hundred euros, got an introduction to it from the guy who sold it to me, and went to South Africa and Poland. I see my work as a tool. I don’t believe in art for art’s sake. I cannot see a film or a book disconnected from the outcome it has, from the imagination and feelings it causes in people – the anger but also the joy.
RC: The documentary features candid interviews with activists, researchers, health staff, patients, women’s groups, and pregnant women talking about the situation surrounding abortion in Poland and South Africa. Why these two countries?
SD: I was interested in comparing Poland and South Africa because both their abortion laws changed in the 1990s. After the fall of communism, Poland banned abortion following the increasing influence of the Catholic Church. There was a kind of deal between the political parties and the church; the church pledged support for the political parties and as a present, a kind of gift, the parties destroyed women’s self-determination over her body. Around the same time, South Africa legalized the procedure after the fall of apartheid. There was an acknowledgement that about 50 per cent of patients coming in to gynaecological wards had problems because of unsafe abortions. I wanted to show the basic juxtapositions. What happens after the legalization or the criminalization? What effect does this have on women?
In South Africa the implementation of abortion rights never worked very well because doctors don’t want to do it: abortion is so stigmatized and marginalized also in the medical field, health care workers don’t want to be associated with it – they refuse. But that is also a big problem in Western countries. Then, we have this big paradox: it’s easier to have an illegal abortion in Poland than to have a legal abortion in South Africa. In Poland doctors make big money with illegal abortions. And precisely because they can do it undercover, they offer it in vast numbers, which shows that they themselves do not have a moral problem doing it as long as nobody knows it officially. The hypocrisy around abortion is unbelievable. The criminalization of abortion doesn’t have any impact on the numbers of women who have abortions, just on how dangerous it is for women. 60–80,000 women every year die because of illegal unsafe abortion worldwide. Five million women become very sick from it. In my film, I wanted to show that it is not just legalization that counts with abortion law, but how access is organized and also explore if the health staff are willing to deal with it. There are a lot of doctors who think it’s very attractive to present themselves as a ‘lifesaver’ and deny women access to safe abortion.
It was very interesting to compare an African and a European country where the African one, at least on paper, is so much more progressive. I wanted to break up this Western cliché that African equals underdeveloped and European equals developed because it is not that simple.
RC: Abortion democracy was awarded best German film at the International Black Cinema Festival 2009. Was this your first experience working on a film project?
SD: I was working on a feature production in San Francisco before this, but I wasn’t filming, only helping with the production. It was a very off-putting experience actually. The director was so exploitative and nasty, and the whole situation was kind of funny because it was so messed up. This was the moment I thought, well, filmmaking is not for me. I really don’t want to deal with all this technical stuff and I don’t want to deal with actors. I was into story telling; I write short stories and I wrote a novel. I like telling stories. So I walked away from film. But then I realized that documentaries are really different. You have a topic you want to get a grip on materially; you want this topic to materialize in film. Also you deal with peoples’ experience and imagination and the story just evolves. The story comes to you. It’s very painful as well, because you have to get rid of a lot of stuff you loved in the editing process. It’s really interesting to have this experience of letting go. In the anthology, in text, you can have a lot of information – you can put in footnotes. In films you cannot do that. So this is really hardcore, especially in terms of coming from making anthologies to making a documentary film. There are more limits, in terms of content. But there are so many more options in terms of form.
RC: The production of the documentary sounds incredibly DIY3 – you took advantage of compact, new technologies that can be used by a single person to make a film, and you learnt about filmmaking through doing. What was the process like?
SD: I financed the film by myself: buying the camera, travelling, staying at people’s houses for free. I had an editor who helped me with the post-production as I couldn’t do that myself, but it wasn’t so expensive. I didn’t try for institutional support because I didn’t want this to stop me. If I had to start the process of fundraising, I would probably never end up making the film.
Sound was a problem. I couldn’t handle a boom so I used the sound from the camera. I did a lot of interviews in cars, as I was travelling with this doctor in South Africa who was travelling from township to township in order to provide abortions. The only time I could really talk to her was in the car because when she was at the clinic she had to work. I had a lot of really interesting information, but in the end I couldn’t use it so well because of the noise. This is what happens when you just do something and don’t really think about infrastructure and techniques. The sound of the whole film is not too bad, but in the end I subtitled the whole film, just in case.
Without digital techniques and without the internet I couldn’t have done this film on my own with no budget – including organising the tours and interviews. But sometimes you also feel you have to exploit people to make it work and that can be hard to justify for yourself.
RC: Can you give me an example of what you saw as exploitation?
SD: There are moments when you have to expect a lot of help and you just have to take it, even though you cannot pay anything back. Maybe I’m over conscious about exploitation and this is why I consider exploitation things that other people would not. But let’s talk about Liz, the South African woman in my film who was pregnant and living on the streets after her family kicked her out. I thought about exploitation regarding her, of course. I talked with her about this as well. That I can be this White fancy filmmaker, using her story to make myself look good or like I’m socially conscious. But I make the money in the end and I get the fame. This is really hard. This is the biggest problem I faced, in terms of my own conscience. This is really the moment when you have sleepless nights because you think: ‘What the fuck am I doing?’; and ‘does this mean anything, is it worth anything, or am I just doing this for my own little sake?’.
This was the biggest struggle I had. But I met so many people who were really encouraging me, saying that they learnt so much, that my film was such a revelation. And recently, I had this beautiful encounter with a woman who is teaching about health. She’s a doctor and she told me, ‘In my next life, I want to be a documentary film-maker’. She was also working on reproductive rights. I always had this feeling that I wanted to be a doctor, to do something. That I can’t just make films about this, I have to help directly. So it was so nice to talk to her because it’s like two sides of a coin and we just need to support each other, you can’t do it all alone. This helped me to get over this feeling that I’m just on the safe side. I really made peace with this now. Because I work on a topic that is so controversial and so fraught – I’ve experienced problems with pro-lifers. It’s really not an easy side I’m on. I don’t want to put myself on a pedestal, but I was struggling a lot. Obviously the biggest problem with Liz, actually, is that I show her face. I changed her name but I show her face. I am, almost, surprised that people don’t ask me about this. Because I actually think this is a problem. But it is so much more powerful that we have to look into her eyes, we have to face her. You cannot make a documentary film without transgressing, maybe even trespassing.
RC: There’s been a spate of abortion media projects recently foregrounding personal testimony as a means to challenge stigmatization – such as the filmsI Had an Abortion (2005) and Abortion Diaries (2005),4 or the women on waves digital storytelling project5 to what extent was self-empowerment and banishing taboo important to you, and to what extent do you want to use this film to change legal frameworks and policy?
SD: Abortion is an issue of law, politics, philosophy, medicine, religion, imagination, biography, women’s rights and colonialism. It doesn’t end. It’s fascinating, it really is. And it is not talked about enough at all. Every third woman worldwide has an abortion in her lifetime. I think it has to be accepted as a part of human sexuality, not a tragedy. Women don’t dare to talk about it, they don’t exchange stories about it, and that’s why they are vulnerable to all this misinformation and emotional blackmailing.
The name ‘Abortion Democracy’ is ultimately a word play – like I called my anthology ‘Deproduktion’, it has no definite meaning. What ‘Abortion Democracy’ hints at, of course, is that two democratic states, Poland and South Africa, have such a different take on the rights on self-determination of their female citizens. It makes clear that in a democracy there are different rules and restrictions for female citizens because of their reproductive work. That’s why the issue of abortion aborts democracy for women, so to speak.
My major aim is to bring Abortion Democracy into NGOs to start discussions, in countries that criminalize abortion, as well as where abortion is legal. I want to bring different feminists together to join groups and networks against the backlash. I currently organize a network between Irish and Polish pro-choice activists. When touring my film through these countries I realized that activists were so isolated it would make sense to exchange information between pro-choice groups and join together to put pressure on the EU and national politicians. Rights are being chipped away here without women noticing. Again it’s about access, not only legality itself.
RC: A pro-choice activist from the United States, Angie Jackson, recently created a personal video, tweeted and blogged about her abortion in real time. She had taken RU-486 – better known as the abortion pill – and wanted to inform women in similar situations about their options and also to demystify the whole process. She got a lot of negative commentary and harassment online and her story was quickly picked up in the press. What are some of the risks and gains of using social networking tools for creating feminist abortion media in your opinion?
SD: I think that the people who make personal abortion testimonies on YouTube know exactly what they are getting into. They have felt the need to present the topic in the first place – probably because they know about the abortion wars and wanted to take a stand. This issue is so fought over that you don’t talk about it by accident somewhere and then regret it. Talking about being pro-abortion is a very conscious and strong decision these days. I knew what I was getting into when I made the film. I felt the need to throw myself into the arena. But it is an ‘arena’ – unfortunately you can’t avoid that. I sometimes have moments when I think, oh goodness people must think I am totally freaky obsessed with abortion, because people like to pathologize women activists. I can live with that. Regarding the amount of anti-choice representation on YouTube it is very necessary to have women speak out for pro-abortion, especially for other women looking for advice. Not to be ashamed and to show that is crucial here. Our silence kills women’s rights, because the anti-choice campaigners want you to be too ashamed and guilty to demand your rights.
I am interested in putting my film online – and definitely on YouTube as it has the most exposure. I am not worried about receiving abuse: the more pro-lifers who see my film the better. I can deal with more hate mail. I want the film out there, that’s the most important thing. Why make a film and then restrict access to it?
RC: In your experience, how are anti-choice campaigners using new media to get their politics across?
SD: Unfortunately, anti-abortion organizations are much more active online than neutral family planning organizations or feminists talking about reproductive and sexual rights. There is an organization called Women on Web6 which sends the abortion pill by post to women in countries which criminalize abortions. They do great work. But the internet is a blessing and a curse. People who are very optimistic about new media technologies should acknowledge that the conservatives and right wingers use these platforms and that these media projects also took over the language and strategies of the left.
An example of this is the website Stand Up Girl.7 It’s especially designed to attract young women and girls. With their ‘Dear Becky’ advice page, ‘Sisters Column’, ‘Pregnancy Due Date Calculator’, T-Shirts, anti-abortion quotes by celebrities, Twitter and Facebook pages, this pro-life organization tries to create a positive anti-choice community. The website presents it as empowerment to choose to have the child under any circumstances. The problem here is that there is a real need for girls to talk about their fears and experience. These needs are hijacked by an organization pretending to help and give neutral information, but what they actually do is emotionally blackmail young people with one-sided or false information. When women and girls don’t dare to ask about abortion elsewhere they search the net in private and are mainly exposed to these websites. Standupgirl.com claims to receive 200,000 visits from young women each month.
There is a lot of lobbying and misinformation about abortion online and it is crucial to use media in any way to oppose that: to educate women and girls on their rights, their options, and how to get legal or illegal safe abortions. There is still a lot of work to do.
Interview by Red Chidgey
Notes
1 http://www.abortion-democracy.de, last accessed 27th June 2011.
3 DIY (do-it-yourself)
4 http://www.theabortiondiaries.com, last accessed 27th June 2011.
5 http://www.womenonweb.org/listpublish-162-en.html, last accessed 27 June 2011
6 http://www.womenonweb.org, last accessed 27 June 2011
7 http://www.standupgirl.com, last accessed 27 June 2011
References
1. Aldrich, G. (dir.) (2005) I Had an Abortion, New York: Women Make Movies.
2. Diehl, S. (2004) Brüste Kriegen, [Getting Breasts] Berlin: Verbrecher Verlag.
3. Diehl, S. (2007) Deproduktion – Schwangerschaftsabbruch im internationalen Kontext, [Deproduktion – Abortion in an International Context] Aschaffenburg: Alibri Verlag.
4. Diehl, S. (dir.) (2008) Abortion Democracy: Poland/South Africa, Berlin.
5. Diehl, S. (dir.) (forthcoming) Pregnant Journeys, Berlin.
6. Lane, P. (dir.) (2005) Abortion Diaries, Portland: Backline.
Acknowledgements
Red Chidgey’s work on this interview was supported by a Feminist Media Production in Europe grant (P21187-G20) from the Austrian Science Fund (2008–2010), held in collaboration with Elke Zobl and Rosa Reitsamer.
author biography
Red Chidgey is a PhD student at London South Bank University, UK. Her research focuses on feminist cultural memory and media. She blogs about her research interests at http://www.feministmemory.wordpress.com.
Source: http://www.palgrave-journals.com/fr/journal/v99/n1/full/fr201137a.html Feminist Review(2011) 99, 106–112. doi:10.1057/fr.2011.37
Worldwide, each year about eighty million women have an unwanted pregnancy and about half of them will have an abortion. According to the WHO about 48.000 woman die annually as a consequence of a illegal and often self induced abortion. Another five million women suffer from injuries or infections, sometimes for the rest of her life. These figures are all the more dramatic, considering how easy it would be to prevent this by legalization.
Besides the treat for women, the overall social consequences are far-reaching: the financial burden on health care are enormous; in some countries complications of unsafe abortion make up about 30% of the capacity of the gynecological ward. Further more about 220,000 children each year become orphans, because their mothers died from unsafe abortions. Especially in countries where women in particular care for the upbringing and education of children, this has dramatic consequences for the whole family.
Problems in medical practice
However, legalization alone is often insufficient. In many countries, even existing laws allowing abortion under certain circumstances - such as health risks, rape or incest - are not enforced. Doctors and hospital staff are a direct target of abortion opponents, because they are the ultimate gatekeepers to access to abortion. Many doctors are afraid for their reputation - and the reputation of „killing babies", as abortion opponents call it, has a bigger impact on them than the reputation to stand up for women’s rights. In the USA f.e. 87% of all counties don’t have an abortion provider anymore. Even though it is legal women have a hard time to find access to it. Also the internet is swamped with websites of abortion opponents offering false information and horrific imagery of late abortion and miscarriages to make it harder for women to go through an abortion. But instead of endorsing laws that protect women from manipulative abortion opponents, politicians successfully try to introduce new laws, which forces a woman to see the ultrasound image of the embryo and listen to “counsellors” telling her that she is killing “her child” as it happens in several US countries.
In most countries worldwide abortion is not even a part of the training as a gynecologist, either as a medical or a social issue. The lack of awareness of physicians about this complex issue has the desired effect: it becomes a taboo, and doctors, despite their medical training often show an alarmingly one-sided perspective on the topic. Moreover, many doctors speak out officially against legalization, because therefore they can demand exorbitant fees for illegal abortions.
Small steps back and forth
On the International Conference on Population and Development in Cairo in 1994, the reproductive rights of women were recognized for the first time. The conference aims excluded legalization of abortion as a means of family planning, because of the pressure of conservative governments. But it was acknowledged that women should have safe access in countries where it is legal. Unfortunately since then there were many setbacks.
The U.S. elected abortion opponents in key roles of the UN, and the Gag Rule (denying financial support for international NGOs working on abortion) had an damaging effect: regarding that the US is the greatest donor for women’s health programs worldwide, programs on women’s health and contraception had to be shut down and furthermore “educational programs” that promote only abstinence, instead of sex education caused great damage. Obama put an end to the Gag Rule but one will be surprised what Republicans will come up with instead, next time they get elected.
Also, the conservative pressure scares away other private donors: The Bill Gates Foundation f.e., who is one of the biggest donors for the MDG maternal health programs, doesn’t include abortion related programs. Regarding that unsafe abortion makes up up to 20% of maternal mortality in African countries, it is alarming that private donors step away from this issue, because they might fear a call for boycott of their products. It looks like women’s rights are more and more competing with concerns of Public Relation of private donors.
The ideological shift also shows effects in other countries: This March, for example, the Canadian government announced its withdrawl of all funds not only for international abortion related programs but for sex education and contraception as well.
A positive development in 2005 was the so-called Maputo Protocol of the African Union. After all, access to abortion in cases of rape, incest and health problems of women is endorsed. It has since been ratified by 25 African countries - against the massive protest of the Catholic Church. Abortion opponents used every tool available: The US-based Human Life International f.e. had mobilized against it with the argument, that this act presents the western racist attempt to decimate the African population.
Papal diplomacy
Politicians know they will lose the support of the Catholic Church if they do not participate in the mobilization against abortion. Regarding the often emotional and manipulative discourse, it is easier for them to present themselves a „pro-life“. This resulted a.o. in the total ban in Nicaragua and illegalization of abortion in Poland, where it has been legal under the communist regime.
The Catholic Church, Evangelical groups and other organizations of abortion opponents like HLI try to join international forces with conservative politicians, who can help implement their ideas - such as at the World Congress of Families, involving high-profile politicians. In events like this the self determination of women is presented as a fundamental treat to the family and conservative values. It becomes obvious that abortion is used as a tool to discredit the empowerment of women in general, skillfully shifting the perspective away from women’s rights to the rights of the idealized innocent unborn, which has to be saved under all circumstances; an image even some liberal human rights activists feel attracted to.
But it goes even further: Some politicians, especially in Africa and Latin America, conjoined with the Catholic Church mobilize for a constitutional amendment, stating that life begins at conception. This would make all forms of abortions illegal, making any pro choice resolutions of the UN, the EU and the African Union irrelevant. In the Dominican Republic, this was actually enforced in January 2010.
But even within the EU there are still countries where abortion is illegal. In Poland, each year around 200,000 illegal abortions take place, while every day an average of 17 women have to travel from Ireland to the UK for an abortion.
There have been attempts to challenge the ban and the arbitrariness in abortion access at the European Court of Human Rights: 2005 Alicja Tysiac successfully sued the Polish government, because her right to an abortion due to health risks was denied and currently three women sue the Irish government, because their health was compromised by the Irish abortion ban.
But the growing impact of conservative politicians becomes obvious in Europe where issues like growing migration and decreasing birth rates of „European white“ women are presented as a treat to the Christian European identity. Here, the stigmatization of abortion becomes a symbolic tool for family politics as well.